Autorius: Max Roland Šaltinis: https://www.anonymousnews.org/... 2024-07-01 20:19:00, skaitė 481, komentavo 0
Emmanuel Macron und seine Herausforderung Jordan Bardella und Marie Le Pen
von Max Roland
Es sind martialische Worte, mit denen Macron die Parlamentswahl zu seinen Gunsten wenden will: Die politischen Programme des Rassemblement National (RN) und der Linkspopulisten könnten zu einem „Bürgerkrieg“ führen, sagte er am Montag in einem Podcast. Frankreichs Präsident warnt nun also vor einem Bürgerkrieg, einem Zusammenbruch Frankreichs – und zwar als Folge der Neuwahlen, die er selbst überstürzt und ohne Not angesetzt hat.
Das ist so überzogen, dass ihm das kaum jemand abkaufen wird. Soll Macron jetzt der Feuerwehrmann für den Brand sein, den er letztendlich selbst gelegt hat? Aber das passt in das Muster Macron – in das Handlungsschema eines Präsidenten, der sich mittlerweile vor allem von seiner eigenen Hybris leiten lässt.
Noch drei Jahre Amtszeit hat Macron vor sich – eigentlich wollte er sich in dieser Zeit als großen Europäer inszenieren und sich als politischen Führer des Kontinents aufbauen. Doch Macron handelt zu impulsiv – ein strategischer Machtmensch wie ein de Gaulle etwa ist er nicht. Vorstöße wie der, man könne französische Soldaten in die Ukraine schicken, sollen strategisches Genie sein – sind aber in ihrer Art und Weise alles andere als das. Unabgestimmt und unüberlegt irritiert Macron nicht Russland, sondern vor allem die eigenen Verbündeten, wie Deutschland. Er scheint wie ein Spieler, der auf Risiko wettet – und jetzt bei den Neuwahlen alles auf eine Karte zu setzen scheint. Aber ist das noch Strategie oder schon Entkopplung? Mächtige Männer, die kurz vor dem Verlust ihrer Macht stehen, neigen oft zu einer guten Portion Wahnwitz und einer gewissen Losgelöstheit von Realitäten und Konsequenzen.
Macrons Problem ist schon jetzt: Er ist ein Führer ohne Gefolgschaft. Im Volk, aber auch in seinen Entscheidungen an sich. Die Neuwahlen rief er ohne Rückendeckung seiner Partei aus. Es war ohnehin nur seine Entscheidung – nicht mal den Premierminister hatte er vorab einbezogen. König Ludwig XIV. sagte: Der Staat bin ich. Macron sagt: Der Staat ist mein – und ich setze ihn als Pfand in der Wette meines Lebens.
Der französische Präsident könnte sich dabei gewaltig verkalkuliert haben. Jüngste Umfragen für den Sender BFMTV prognostizierten, dass 36 Prozent der Wähler den RN unterstützen werden, die zusammen mit den Republikanern zwischen 250 und 280 Sitze in der Nationalversammlung erhalten dürfte. Die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung beläuft sich auf 289 Sitze.
Würde die rechte Partei ihren Sieg bei der Europawahl jetzt wiederholen – und dafür spricht einiges -stünden der Französischen Republik ungewisse und schwere Jahre ins Haus. Zwar gibt es zwei Wahlgänge, was die Chancen auf eine übermächtige Position für den RN letztendlich verringert – aber Macrons Machtbasis wäre nichtsdestotrotz angeschlagen.
Macron und sein Parteibündnis stehen inzwischen ziemlich einsam in der Mitte – während der RN Rechts und die NFP Links wahrscheinlich Gewinne abgreifen werden. Macron ist unpopuär, die Ablehnung, die ihm entgegenschlägt, sucht in der jüngeren französischen Geschichte ihresgleichen. Das ist nicht nur seine Schuld – er ist als lang amtierender Präsident auch eine Projektionsfläche für den Verdruss mit der Politik allgemein geworden. Nichtsdestotrotz: Macron gilt als abgehoben, seine Politik ist schlecht für den Geldbeutel der Franzosen.
Macron wäre politisch halb kaltgestellt und würde schon gar nicht über das politische Kapital verfügen, um sich selbst weiter als Führer des Kontinents und große, außenpolitische Stimme zu inszenieren. Und die Zusammenarbeit einer Macron-geprägten Exekutive gegen eine vom Rassemblement National und der linken NFP maßgeblich beeinflussten Legislative dürfte alles andere als glattlaufen.
Denn auch, wenn der Präsident mächtig ist – die Nationalversammlung in Frankreich kontrolliert den Haushalt und hat maßgeblichen Einfluss auf so ziemlich alle Politikfelder. Zwar ernennt der Präsident den Premierminister – aber das Parlament kann ihn schnurstracks durch ein Misstrauensvotum stürzen. Gleichzeitig kann der Präsident sein Veto bei Beschlüssen der Nationalversammlung einlegen, die ihn allerdings mit einer Zweidrittelmehrheit überstimmen kann. Kurzum: Es droht ein gewaltiger Gridlock in einem der mächtigsten und wichtigsten Länder Europas.
Vielleicht schafft Macron es, die Wette seines Lebens zu gewinnen. Vielleicht zimmert er irgendwie eine halbwegs funktionierende Machtbasis zusammen, um Frankreich zu führen – aber vielleicht auch nicht. Macron setzt den Franzosen nach dem Erdrutschsieg des RN bei den Europawahlen die Pistole auf die Brust – und hofft darauf, dass sich die Franzosen nicht trauen, „abzudrücken“ und den RN oder die „Neue Linke Volksfront“ (NFP) bei einer entscheidenden Wahl wie der zur Nationalversammlung zu wählen. Er droht mit dem Chaos, das er selbst vom Zaun gebrochen hat. Ein bisschen wie Großbritanniens David Cameron, der erst eine Volksabstimmung zum Brexit ausrief und dann sagte, dass man ihn ablehnen sollte. Diese Wette verlor er krachend.
Und auch Macron könnte krachend verlieren bei seiner Wette, in der sein politisches Schicksal mit dem Frankreichs verknüpft. Wenn er verliert, wäre es ein Triumph für die europäische Rechte – die dann neben Italien in zwei der drei größten EU-Staaten eine parlamentarische Mehrheit hätte. Für Europa wäre das ein Wendepunkt, eine historische Machtverlagerung.