Autorius: RT Šaltinis: https://de.rt.com/inland/18750... 2023-11-21 19:00:00, skaitė 844, komentavo 0
Feierliche Zeremonie auf dem Paradeplatz des Bundesministeriums der Verteidigung am 20. Juli 2023. Rund 400 Rekruten legen im Gedenken an den deutschen Widerstand vom 20. Juli 1944 ihr Gelöbnis ab.
Der regierungsnahe Think-Tank "Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)" geht fest davon aus, dass Russland einen Angriff auf das NATO-Gebiet im Baltikum plant. Es warte nur auf ein "Fenster der Möglichkeiten". Deshalb müssen Deutschland und die NATO spätestens in zehn, besser aber in sechs Jahren einen russischen Angriff abwehren können. So viel Zeit lassen die Militärexperten der DGAP, Christian Mölling und Torben Schütz, Russland für die Rekonstitution seiner Armee zu einem Zustand hin, auch NATO-Länder direkt angreifen zu können.
In einem Policy-Brief skizzieren die beiden Autoren die Maßnahmen, die Deutschland ergreifen muss, um Russland nicht nur abschrecken, sondern auch den realen Krieg gegen die Atommacht führen zu können: Die Frage lautet also nicht, ob Deutschland und die NATO kriegsfähig sein müssen, sondern bis wann.
Die DGAP geht davon aus, dass Russland, in historisch-imperialen Dimensionen denkend, die Motivation hat, die Größe Russlands wiederherzustellen und den Einfluss von NATO und EU zurückzudrängen. Die durch den Ukraine-Krieg gestiegene Kriegsfähigkeit mache das Vorhaben möglich. Jedenfalls sei die russische Kriegsfähigkeit größer, "als es der momentane Eindruck vermittelt".
In einem Artikel für den Tagesspiegel, beschreiben Mölling und Schütz Russland als einen irrationalen, unberechenbar handelnden Akteur, der allerdings lange "überschätzt" war: "Niemand weiß, ob Russland wirklich die NATO angreifen würde. Die Vergangenheit zeigt jedoch zwei Fehleinschätzungen: Die militärische Stärke Russlands wurde lange Zeit überschätzt, aber seine Risiko- und Kriegsbereitschaft hat gerade Deutschland stark unterschätzt", so die Autoren des Artikels.
Demzufolge wird Russland unterstellt, dass es Pläne für einen Angriff auf die östlichen NATO-Gebiete hat, was Deutschland dazu treibt, entsprechende eigene Abwehrmaßnahmen beliebig umfassend zu formulieren. Diese erstrecken sich auf drei Bereiche: Wiederaufbau der Bundeswehr zur stärksten europäischen NATO-Armee, Erneuerung der rüstungsindustriellen Basis und der Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz. Außerdem gilt der russische Angriff nicht nur militärischen Zielen, sondern der "gesamten Bandbreite der Schwächen westlicher Gesellschaften".
Damit der Westen eine Chance hat, müsste er im Wettlauf Russland zeitlich zuvorkommen und besser schon in sechs statt zehn Jahren komplett kriegsfähig werden. Das erfordert einen grundlegenden Mentalitätswechsel und einen "Quantensprung" in den erwähnten Bereichen Militär, Industrie und Gesellschaft:
"Der viel geforderte Mentalitätswechsel wird nur geschehen, wenn die Gesamtverteidigung ein Teil des Alltags von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wird."
Einen Startpunkt für den Wandel des Alltags könnte laut der DGAP die Bundesregierung setzen, indem sie gemeinsam mit den Landesregierungen und den Parlamenten eine sicherheitspolitische Dekade ausruft: einen auf zehn Jahre angelegten Gesellschaftsvertrag, um Deutschland auf mögliche zukünftige Konflikte vorzubereiten. Konkret soll ein Resilienzpraktikum die Bundesbürger und andere Einwohner faktisch zu einem Reservistenheer machen:
"Statt einer militärischen Dienstpflicht sollte es in den Bereichen, die für die Gesamtverteidigung relevant sind, ein verpflichtendes Praktikum für alle in Deutschland lebenden Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren geben."
Den Experten schwebt eine mobilisierte, hoch motivierte Gesellschaft vor, als mediales Vorbild dient das nach dem "brutalen Angriff eines Aggressors" angeblich geeinte Volk der Ukraine. Resilienz muss jede Pore der Gesellschaft durchdringen, die "Mikroebene": Bürgerinnen und Bürger, Kommunen, öffentliche Einrichtungen, Vereine und Betriebe. Es sei wichtig, betonen die Experten, die Bevölkerung intensiv an der Ausgestaltung der sicherheitspolitischen Dekade zu beteiligen, denn durch Identifikation (Ownership), Wettbewerbe, Weiterbildungen, Trainingscamps und viele andere interaktive Formate werden die Befähigung und die Motivation der Menschen zur Resilienz gestärkt.
Eine besondere Rolle kommt auch auf die Privatwirtschaft zu. Sie könnte nämlich bei der Finanzierung ("Investitionen") des Ganzen einspringen. Die Rede ist von den Anreizen, "die für die Gesamtverteidigung wichtigen Bereiche in der Privatwirtschaft und Gesellschaft zu identifizieren". Etwas konkreter werden die DGAP-Experten, als es um die Forderungen nach mehr Ressourcen für die Zivilverteidigung geht:
"Integraler Bestandteil der Gesamtverteidigung ist eine Neubestimmung des Verhältnisses von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, denn viele Infrastrukturen befinden sich in privater Hand."
Mit anderen Worten: Die Unternehmen, ob klein oder groß, werden auf die eine oder andere Weise zur Kasse gebeten. Tun sie das nicht, steht das revisionistisch-imperialistische Russland vor der Tür: Dazwischen liegen nur Polen und das Baltikum, die früher Teile der Vorläuferstaaten der Russischen Föderation waren.
Interessant in dem Papier sind nicht nur die Pläne, die die deutsche Bevölkerung auf dem Weg zu der von Verteidigungsminister Boris Pistorius proklamierten Kriegstüchtigkeit unmittelbar betreffen könnten, sondern auch die Einschätzungen zum gegenwärtigen Kriegsgeschehen in der Ukraine. DGAP macht keine Angaben, wie und wann genau der Krieg enden könnte, geht aber davon aus, dass die Ukraine in absehbarer Zukunft Teil der NATO und weiterhin ein "herausragender militärischer und geostrategischer" Stützpunkt des globalen Westens bleiben sollte.
Es ist sogar von der nächsten ukrainischen Offensive die Rede, die Russland eine Niederlage auf ukrainischem Gebiet zufügen und infolgedessen die Kampfkraft Russlands reduzieren könnte – bis zu einer strategischen Niederlage hin. Nur wenige Zeilen entfernt, schreiben die Experten im gleichen Dokument, dass Russland aus dem Krieg gegen die Ukraine gestärkt hervorgehen und Europa durch seine erfolgreiche Kriegswirtschaft und kampferprobte Armee unmittelbar bedrohen könnte.
So werden verschiedene Szenarien und Optionen durchgespielt. Kriegstüchtig und resilient muss Deutschland aber auf jeden Fall sein, auch um dem Anführer der westlichen Welt, Joe Biden, in seinem bevorstehenden Wahlkampf zu helfen, und zwar großzügig – sonst könnte die USA ihre Unterstützung für die Verteidigung Europas verringern:
"Der Moment ist günstig: Die USA erwarten mehr Eigenständigkeit von Europa, und wenn es Europa gelingen würde, den Vorwurf einer unfairen Lastenverteilung zu entkräften, würde dies Präsident Biden im Wahlkampf helfen."
Es bleibt also abzuwarten, inwieweit und ob die Politik den Empfehlungen der DGAP folgen wird. Interessant wäre auch zu sehen, welche Reaktionen die vorgeschlagenen "Resilienzmaßnahmen" bei der Bevölkerung hervorrufen, sollte irgendwann doch versucht werden, diese in die Tat umzusetzen.