Homo s@piens - Google und der Transhumanismus

Autorius: Jonas Glaser Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2023-03-15 03:11:00, skaitė 648, komentavo 0

Homo s@piens - Google und der Transhumanismus

Google-Chefentwickler Ray Kurzweil will als Mensch-Maschine-Wesen unsterblich werden. Es folgen Auszüge aus dem Artikel „Homo s@piens „, den Sie vollständig im aktuellen COMPACT-Magazin 03/2023 lesen können. Diese Ausgabe können Sie in digitaler oder gedruckter Form hier bestellen.

_ von Jonas Glaser

Ray Kurzweil ist vielleicht der fanatischste Vertreter des Transhumanismus. Vielleicht, weil ihn selbst die existenzielle Tragik des Menschseins (Verletzlichkeit, Sterblichkeit) tief bedrängt und er deswegen in dessen Überwindung einen Fortschritt erhofft. Angeblich schluckt er täglich 250 Nahrungsergänzungsmittel. Vor zehn Jahren, also 65-jährig, versicherte er: Dank dieser Pillen verfüge er über den Körper eines 40-Jährigen. Seine damalige Prognose für das Jahr 2023:

«In fünfzehn Jahren, wenn ich chronologisch 75 Jahre alt bin, möchte ich biologisch 38 sein. Dann werden wir unsere Biochemie neu programmieren können, und später kommen die Nanobots, winzige Roboter, die wir in unseren Blutkreislauf einspeisen.»

Außerdem möchte Kurzweil sein Leben so weit verlängern, bis die KI-Technik ihm Unsterblichkeit verleihen und sein Bewusstsein auf Festplatte downloaden kann. 2008 sagt er:

«Mit dem heutigen Wissen können selbst Angehörige meiner Generation in fünfzehn Jahren noch bei guter Verfassung sein. Dann wird es möglich sein, unser biologisches Programm durch Biotechnologie zu modifizieren, was uns lange genug leben lassen wird, bis uns die Nanotechnologie befähigt, ewig zu leben.»

Nur durch Digitalisierung werde das Bewusstsein unsterblich:

«Dem Gehirn, obschon in vielerlei Hinsicht beeindruckend, sind klare Grenzen gesetzt. (…) Ebenso ist auch unser biologischer Körper in seiner derzeitigen Version gebrechlich und fehleranfällig, ganz zu schweigen von den mühsamen Instandhaltungsroutinen, die er erfordert.»

Beherrscher des Todes

Schon früh hatte Kurzweil der biologischen Gebrechlichkeit den Krieg erklärt. 1948 im New Yorker Stadtteil Queens geboren, erfand der junge Informatik-Crack bereits Anfang der 1970er die Kurzweil Reading Machine. Die verwandelt Drucktexte in akustische Zeichen und macht sie damit auch für Blinde verstehbar. Eine Übersetzung in Blindenschrift war fortan nicht mehr nötig. Diese Erfindung führte zu einer Freundschaft zwischen Kurzweil und dem blinden Soul-Musiker Stevie Wonder. Der feuerte ihn an, den Kurzweil K250 zu erstellen, einen Synthesizer, der die Klänge zahlreicher Instrumente künstlich erzeugen kann. 1984 erreichte er die Marktreife. Wonder erhielt eine Extra-Anfertigung dieses Synthesizers, die auf Sprachkommandos hörte.

2002 wettete Kurzweil auf seiner Website longbets.org: «Ich werde eine KI erschaffen, die den Turing-Test bestehen kann» – also Antworten auf Fragen gibt, bei denen eine Kontrollperson nicht mehr unterscheiden kann, ob sie von einem Menschen oder einer Maschine kommen.

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Moderner Frankenstein: Ray Kurzweil. Foto: Screenshot Youtube

Kurzweil, von Bill Gates als «führender Experte im Bereich der Künstlichen Intelligenz» bezeichnet, wurde 2012 zum Chefentwickler von Google berufen. Im folgenden Jahr gründete der Konzern ein Subunternehmen namens Calico (California Life Company). Deren Ziel: «den Tod zu beseitigen». Als Chief Executive Officer von Calico erklärte er 2015: «Wenn Sie mich heute fragen, ob es möglich ist, 500 Jahre alt zu werden, so lautet die Antwort: ja!»

Wieder einmal soll die Menschheit glauben, dass mythische Träume auch auf Erden realisierbar seien. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritisiert Kurzweil die Todesverdrängung des Menschen: Weil er sein Bewusstsein nicht als endlich begreife, aber dennoch um das unausweichliche Ende wisse, fantasiere er sich eine Weiterexistenz im Jenseits herbei oder suche nach philosophischen Gründen, «warum der Tod etwas Positives und Befreiendes ist und es nicht gut wäre, das Leben ins Unendliche zu verlängern. Die Verdrängung der Tatsache, dass der Tod eine unermesslich schreckenerregende Vorstellung ist – ganz zu schweigen von dem Leiden, das damit einhergeht –, ist weit verbreitet. Wir hängen an unseren Rationalisierungen, die es uns erlauben, im Angesicht der heraufziehenden Tragödie weiterzumachen. Solange wir keine Alternative hatten, war das vernünftig. Heute haben wir allerdings eine Alternative.» Kurzweil meint natürlich die Digitalisierung des Bewusstseins.

Hier ließe sich einwenden, dass die Evolution unsere Psyche auf Endlichkeit zugeschnitten hat. Ein unbegrenztes Fortdauern würde sie nicht ertragen, wie John Boorman in dem Sci-Fi-Film Zardoz (1974) zeigt, in dem jahrhundertealte Menschen ihre Mörder als Befreier bejubeln. Das Bewusstsein oder gar die ganze Psyche müssten nicht nur durch Digitalisierung vor dem Verfall geschützt, sondern auch für das Ertragen einer endlosen Existenz umprogrammiert werden. Das aber ist für Kurzweil kein Problem, denn evolutionäre Programme lassen sich aus seiner Sicht – der eines angemaßten Schöpfers – korrigieren. In seinem Buch Homo S@piens. Leben im 21. Jahrhundert – Was bleibt vom Menschen? (1999) heißt es:

«Letztlich geht es darum, den informationsverarbeitenden Vorgängen, die hinter den Erkrankungen, der Reifung und der Alterung des Organismus stecken, auf die Spur zu kommen und so Mittel zu finden, Fehlentwicklungen der Evolution zu korrigieren und Verbesserungen vorzunehmen.»

Kurzweil begreift die Biologie als Variante der Informatik, wenn er die DNA zur «Software der Evolution», zum leistungsfähigen «Festspeicher» erklärt, «der die gewaltige Maschinerie des Lebens steuert». Wie den digitalen Code von eins und null hält er auch den genetischen Code der vier Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin für neu programmierbar – und damit auch mentale Prozesse. Selbst die räumliche Begrenzung des Menschen durch seinen Körper ist in seinem transhumanen Digitalismus aufgehoben. Daten lassen sich in Sekundenschnelle um den Globus jagen, das bedeutet Aufhebung von Krankheit, Schmerz, Tod und Begrenzung.

Gott spielen

Sind das nicht die klassischen Versprechungen von Religionen? Kurzweil räumt eine Ähnlichkeit zwischen Großreligionen und Transhumanismus ein, aber behauptet, seine Ideen gründeten «nicht auf Glauben, sondern auf wissenschaftlicher Betrachtung technologischer Trends und auf Untersuchungen, warum sich Technologie in bestimmter Weise entwickelt und inwiefern sie eine Fortsetzung der Evolution ist, die sie erst hervorgebracht hat».

Religionen, so Kurzweil, drückten nur «die Vorahnung aus, dass wir irgendwann die Mittel besitzen würden, die Beschränkungen der Sterblichkeit tatsächlich zu überwinden. Ihre Begründer hatten keine Ahnung, wie das gehen sollte, aber sie wussten, dass es einen Weg geben musste.» Aber Kurzweil kennt den Weg…  (Ende des Auszugs)

Dieser Artikel erschien vollständig im aktuellen COMPACT-Magazin 03/2023. Diese Ausgabe können Sie in digitaler oder gedruckter Form hier bestellen.

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Kriegshexen in COMPACT 3/2023