Autorius: Kai Rebmann Šaltinis: https://www.anonymousnews.org/... 2022-10-11 22:13:00, skaitė 462, komentavo 0
Dutzende Busse fahren täglich in die Ukraine – alle ausgebucht, oft auf Wochen im Voraus.
von Kai Rebmann
Seit Wochen spielen sich am ZOB Berlin tagtäglich die gleichen Szenen ab. Gefühlt im Minutentakt brechen bis auf den letzten Platz gefüllte Fernbusse in Richtung Kiew auf. Die gleichen Bilder gibt es an den Bahnhöfen Berlin Südkreuz und Wannsee sowie am Flughafen BER. Am morgigen Samstag, den 17. September 2022, fahren aus Berlin nicht weniger als 65 Busse nach Kiew – alle ausgebucht. Auch wer an irgendeinem anderen Tag in den nächsten Wochen oder aus einer beliebigen Stadt in Deutschland oder Österreich in die Ukraine fahren will, bekommt in den meisten Fällen folgende Meldung: „Fahrt ist leider ausgebucht“. Auf einigen Fahrten sind mit viel Glück noch einzelne Restplätze zu ergattern. Klassische Ziele von Städtereisen – etwa Rom, Barcelona oder Paris – können dagegen sehr kurzfristig gebucht werden. Was ist da los? Ist Kiew plötzlich zu einer Art „Florenz des Ostens“ geworden?
Der Verdacht liegt nahe, dass hier die gerade in Deutschland und Österreich sehr niedrigschwelligen Angebote von Sozialhilfen ausgenutzt werden. Flüchtlinge aus der Ukraine haben in Deutschland seit 1. Juni 2022 ab dem ersten Tag ihrer Ankunft einen Anspruch auf Grundsicherung, sprich Hartz IV. Der Regelsatz für alleinstehende Erwachsene liegt bei 449 Euro pro Monat, für jedes Kind kommen bis zu 376 Euro dazu. In den vergangenen Tagen machten insbesondere in den sozialen Medien Gerüchte die Runde, wonach ukrainische Flüchtlinge sich in Deutschland registrieren lassen, um Anspruch auf Hartz IV zu erhalten, und sich dann wieder auf den Heimweg machen. Ausgeschlossen ist das natürlich nicht, zumal erstens auch Fahrten von Kiew nach Deutschland bei Flixbus auffällig stark nachgefragt werden und es zweitens auch keine andere vernünftige Erklärung für dieses Phänomen gibt.
Wir haben uns also auf Spurensuche begeben. Was sagen die Behörden zu diesem Reisetrend? Gibt es seitens des Fernbus-Anbieters irgendwelche Auffälligkeiten zu berichten? Die „Heilbronner Stimme“ hat sich in einem gut hinter der Bezahlschranke versteckten Artikel mit eben diesen Fragen beschäftigt und sowohl bei Flixbus als auch verschiedenen Ämtern nachgehakt. Der Mehrwert, den Flixbus als Anbieter dieser Fahrten liefern kann oder will, liegt leider nahe Null. Das ist umso erstaunlicher, da Flixbus-Sprecher Sebastian Meyer dem Blatt bestätigt, dass er von den Vorwürfen des Sozialbetrugs auch schon gehört habe. Bei ihm lägen „etwa 20 Presseanfragen zu dem Thema“ auf dem Tisch. Sollte man da nicht davon ausgehen, dass das Unternehmen sich inzwischen auf dieses große mediale Interesse eingestellt hat und fragenden Journalisten mit substanziellen Informationen dienen kann? Stattdessen begnügt sich der Fernbus-Anbieter mit einem Statement, das eher nach Werbung für das eigene Angebot klingt: „Flixbus fährt seit Mitte April wieder in die Ukraine, mittlerweile in acht Städte, darunter auch nach Kiew. Die Fahrt ist gefahrlos.“ Generell sei die Nachfrage bei Fahrten aus der und in die Ukraine gesunken, teilt Flixbus noch mit. Die eingangs erwähnten Testbuchungen stehen dieser Aussage jedoch entgegen.
Nachdem das Unternehmen also wenig bis nichts Erhellendes zu dem seltsamen Pendelverkehr zwischen Deutschland und der Ukraine inmitten von Kriegszeiten beitragen kann oder will, bleiben die Behörden als weitere Anlaufstelle für entsprechende Nachfragen. Erste Station ist das Amt Jugend, Familie und Senioren in Heilbronn. Der dortige Leiter Achim Bocher räumt ein, es könne passieren, „dass sich jemand nicht abmeldet“ und wieder in die Ukraine heimkehrt. Da die Flüchtlinge aber regelmäßig Post bekämen und es innerhalb der ersten fünf, sechs Wochen zum ersten Kontakt komme, würde man das mitbekommen, glaubt Bocher. Zudem würde es sofort auffallen, wenn Kinder nicht mehr in die Kita oder Schule kämen, ergänzt der Amtschef. Bocher weist darauf hin, dass „viele Frauen mit ihren Kindern geflüchtet sind“.
Viele sind aber eben nicht alle und bei knapp einer Million Flüchtlingen aus der Ukraine sind Zehn-, wenn nicht Hunderttausende dabei, die ohne Weiteres hin- und herpendeln können. Auch der Glaube, dass jemand zwingend dauerhaft und persönlich in Deutschland vor Ort sein muss, um auf dem Postweg mit den Behörden zu kommunizieren, ist reichlich naiv. Da gibt es neben dem Pendeln noch viele weitere Möglichkeiten, die an dieser Stelle aus wohl nachvollziehbaren Gründen nicht genannt werden können. Den offiziellen Zahlen zufolge sind aus Heilbronn bisher zwischen 200 und 300 Ukrainer weitergezogen oder in ihre Heimat zurückgekehrt. Sozialarbeiter Michael Schenk engagiert sich in Pfedelbach-Gleichen (Hohenlohekreis) ehrenamtlich für rund 180 Ukraine-Flüchtlinge in der Gemeinde. Er wisse, dass viele seiner Schützlinge Geld in die Ukraine schicken, kann oder will sich aber ebenfalls nicht vorstellen, dass an den Vorwürfen etwas dran sein soll.
An der gesamten Berichterstattung der „Heilbronner Stimme“ fällt leider auf, dass die zentralen Informationen in sehr verwässerter Form daherkommen. Die Stellungnahmen der Behörden zeugen teilweise von großer Naivität, wenn nicht sogar bewusstem Ignorieren der Fakten. Im Stadtkreis Heilbronn, dem Landkreis Heilbronn und dem Hohenlohekreis sind den offiziellen Zahlen zufolge insgesamt etwas mehr als 6.000 Flüchtlinge aus der Ukraine gemeldet. Die Zahl der Neuankömmlinge nimmt seit einigen Wochen wieder leicht zu. Müsste man nicht annehmen, dass die meisten Flüchtlinge nicht so früh wie möglich ihre Heimat verlassen, wenn sie das denn wollen? Warum nimmt die Zahl der Flüchtlinge also fast sieben Monate nach Kriegsbeginn wieder zu?
All das beweist natürlich noch keinen Hartz-IV-Betrug, ebenso wenig die in beiden Richtungen mehr als gut gebuchten Flixbusse, aber sie widerlegen ihn eben auch nicht. Ein allzu großes Interesse an einer Aufklärung dieser zumindest sehr ungewöhnlichen Faktenlage ist weder bei den Behörden noch bei Flixbus festzustellen. Dazu passt, dass der Fernbus-Anbieter dieser Tage angekündigt hat, sein Angebot für Fahrten zwischen Deutschland und der Ukraine ausbauen zu wollen. Während Flixbus-Sprecher Meyer der „Heilbronner Stimme“ noch etwas von einer angeblich sinkenden Nachfrage erzählt hat, hörte sich das bei ihm gegenüber der „Berliner Zeitung“ plötzlich so an: „Wir sehen eine große Nachfrage nach den Linien aus der und in die Ukraine. Derzeit sind die meisten Flixbusse auf diesen Verbindungen voll besetzt.“
Wir haben also bei den Menschen in der Ukraine nachgefragt und sie mit den Pendelfahrten zwischen Deutschland und der Ukraine sowie dem vermuteten Hintergrund konfrontiert. Diese bestätigen den Verdacht. „Alle, die es können, machen das und nutzen dieses System aus“, berichtet uns eine Ukrainerin, die seit vielen Jahren in Deutschland lebt, aber noch enge Kontakte in die Heimat hat. Sie wisse auch von Landsleuten, die ihre Wohnung in der Ukraine vermieten und dann nach Deutschland ziehen, um dort Sozialhilfe zu kassieren. Zu dieser Darstellung passen auch Berichte wie dieser vom MDR: „Mehr als 1,6 Millionen Menschen aus der Ukraine reisten bislang in Ungarn ein, nur etwa 25.000 blieben länger. Ein Grund dürften die nicht üppigen Hilfsangebote der Regierung sein: Ukrainer haben Anspruch auf Unterbringung – oft in Sammelunterkünften – und ein Arbeitsrecht. Erwachsene erhalten 60 Euro pro Monat, für Kinder gibt es monatlich 35 Euro.“ Anstatt in Ungarn zu arbeiten, zieht es viele Ukrainer offenbar also in andere Länder weiter – warum auch immer.