Frankreich muss der Wahrheit ins Auge sehen: Veränderung kann es nur außerhalb der EU geben

Autorius: RT deutsch Šaltinis: https://deutsch.rt.com/meinung... 2016-12-06 15:39:15, skaitė 790, komentavo 0

Frankreich muss der Wahrheit ins Auge sehen: Veränderung kann es nur außerhalb der EU geben

Frankreich muss der Wahrheit ins Auge sehen: Veränderung kann es nur außerhalb der EU geben

François Hollande verzichtet auf die Kandidatur zu einer zweiten Amtszeit – und niemanden juckt es. Zu lange haben Linke und Bürgerliche das immer gleiche Spiel vollzogen: Änderungen versprechen, nur um nach der Wahl noch mehr Befehle aus Brüssel zu befolgen.

von Pierre Lévy

Für François Hollande ist die Party zu Ende. Der französische Präsident bemüht sich nicht um ein zweites Mandat. Diese Mitteilung, auf die prompt eine offizielle Ankündigung der Kandidatur von Manuel Valls folgte, hat in den französischen Medien große Wellen geschlagen. Sondersendungen auf den großen Fernsehsendern, ganze Hefte in der gedruckten Presse – im Verhältnis zum Stellenwert des Ereignisses wirkten sie nicht selten übertrieben.

Denn dieser Ausstieg ändert die grundlegenden Gegebenheiten rund um die Wahl in den Elysée-Palast nicht. Im Übrigen waren weder auf den Straßen von Paris noch auf den Dorfplätzen in der Provinz Männer oder Frauen zu beobachten, die sich der kompletten Verzweiflung hingegeben hätten. Auch Szenen des Freudentaumels blieben aus. Hollande war der breiten Bevölkerung schlichtweg egal geworden.

Was die Gründe angeht, aus denen der abdankende Staatschef sein Amt verlässt, so muss man kein Experte in Politikwissenschaften sein, um sie erahnen zu können: In einem Zeitraum von nur fünf Jahren hat sich die Anzahl der Arbeitslosen auf beinahe 600.000 erhöht, und das sind nur die offiziellen Zahlen, in denen lediglich eine Kategorie von Menschen erfasst ist, die ohne Arbeit sind.

Betrachten wir die Wirtschafts- und Sozialebene, war der unter der Hollande-Regierung eingeschlagene Kurs in allen Punkten konform mit den Wünschen der Arbeitgeber: "Politik des Angebots" – zu Deutsch: zunehmender Rückgang des Preises der Arbeit im Namen der "Wettbewerbsfähigkeit"; Subventionen und Steuergeschenke für die Unternehmen -, liberale "Reformen", insbesondere im Wettbewerbsbereich, Schwächung des öffentlichen Sektors und eine Untergrabung des französischen Arbeitsgesetzbuches.

Es ist nicht übertrieben, zu betonen, dass diese Politik eine treue und präzise Kopie und Nachahmung jenes Kurses war, der von der Europäischen Union angeregt wurde.

Beispielhaft dafür war das "Arbeitsgesetz", das im Frühjahr 2016 auf tiefe Ablehnung gestoßen ist. Es sei nur an zwei seiner wichtigsten Aspekte erinnert: Die Umkehrung der "Normenhierarchie" und vereinfachte Kündigungsmöglichkeiten. Mit dem ersten Aspekt wird die Möglichkeit autorisiert, dass Verhandlungen innerhalb eines Unternehmens zu ungünstigeren Ergebnissen für die Mitarbeiter führen können, als es gemäß den im französischen Arbeitsgesetzbuch vorgesehenen Mindestgarantien der Fall wäre. Der zweite Aspekt vermehrt die Anzahl der Fälle, in denen eine Berufung auf "wirtschaftliche Zwänge" genügt, um einen Rausschmiss zu rechtfertigen.

Es gab viele Demonstrationen, die dieses vor allem bei der Jugend sehr unpopuläre Projekt zum Scheitern bringen wollten. Aber eine Gewerkschaft – die CFDT – hat das Gesetz infolge winziger Zugeständnisse schon sehr früh unterstützt. Auch andere Faktoren erklären, warum die Mobilisierung unzureichend war. Denn auch wenn es zahlreiche Aufmärsche gab - und angesichts des Ausnahmezustands, der nach den Attentaten verhängt worden war, sogar durchaus beachtliche -, so hat es doch nie einen Generalstreik oder einen massiven Ausstand gegeben.

Zu den entscheidenden Faktoren gehört wahrscheinlich auch das, was man als erbitterte Resignation bezeichnen könnte. Anders ausgedrückt: Eine starke Wut, die von dem Gefühl gezügelt wird, dass die Mächtigen es ja doch immer schaffen, ihren Willen durchzusetzen.

Seit drei Jahrzehnten wechseln einander die Rechte und die Linke bei jeder Wahl ab. Die Rechte verlangt traditionell soziale Einbußen, liberale Reformen und Privatisierungen, und die linken Regierungen ... überbieten diese sogar noch, um zu zeigen, dass sie nicht weniger "realistisch" sind als ihre Vorgänger. Diese berufen sich selbst wiederum auf diese neuen "Errungenschaften", nur um anschließend noch weiter zu gehen, was dazu führt, dass das gegenseitige Übertrumpfen endlos weitergeht.

Auf politischer Ebene zeigt sich eine ebenso verzweifelte Machtlosigkeit. So hat das Volk im Mai 2005 den Entwurf des EU-Verfassungsvertrages mit einer massiven Mehrheit abgelehnt. Jedoch nur, um letztendlich festzustellen, dass die führenden Politiker – sowohl rechte Abgeordnete als auch die sozialistische Partei PS – diese Abstimmung tatsächlich annullierten und den Vertrag von Lissabon unterfertigten, der den Text im Wesentlichen wiederaufnahm. Die grobe Missachtung, die die Eliten der Demokratie damit erwiesen haben, wird so bald nicht vergessen sein.

Man musste also schon sehr naiv sein, um 2012 beim Amtsantritt von François Hollande zu glauben, er würde anders handeln. Schon nach wenigen Wochen hat er jenen im Jahre 2011 von Angela Merkel vorgestellten Vertrag gebilligt, der zusätzliche Strenge bei immer strikter werdenden Haushaltsvorschriften forderte, obwohl der Kandidat Hollande noch versprochen hatte, den Text "neu zu verhandeln". Eine Neuverhandlung, die natürlich angesichts der Funktionsweise und der Prinzipien der EU unmöglich war. Nur diejenigen, die daran glauben wollten, haben tatsächlich daran geglaubt.

Es ergibt sich also für die Zukunft eine große Lektion: Jeder Politiker, der eine Veränderung verspricht, ohne die Zugehörigkeit des Landes zur Europäischen Union in Frage zu stellen, täuscht seine Wähler.

Genau aus diesem Grund wird der Austritt aus der EU eine sicherlich nicht ausreichende, aber doch notwendige Bedingung, heftiger denn je von den Oligarchien an der Macht, allen voran den "Mainstream"-Medien, angegriffen: Er wäre "katastrophal" – so wie Großbritannien sofort eine wirtschaftliche Katastrophe erleben würde, wenn es für den Brexit stimme, zumindest hat man uns das vor dem 23. Juni gepredigt - und unanständig, weil "populistisch", "nationalistisch", ja gar "neofaschistisch".

Die einzige politische Frage, die zählt – und das nicht nur für Frankreich – lautet also: Bis wann hält der Schutzwall in Form dieser verlogenen Propaganda?

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