Autorius: Alexander Boos Šaltinis: https://de.sputniknews.com/deu... 2020-09-11 20:05:00, skaitė 929, komentavo 0
Servet Cocabey ist Kandidat der Grünen zur Kommunalwahl in Bielefeld an diesem Sontnag. Doch seine Kandidatur steht aktuell im Kreuzfeuer der Kritik. Laut anderen grünen Parteimitgliedern, Islamismus-Expertinnen und Experten sowie regionalen Medienberichten soll er angeblich Verbindungen zu islamistischen und verfassungsfeindlichen Organisationen haben. Konkret sogar für diese tätig sein bzw. gewesen sein.
Zum Wahlkampfauftakt der Grünen im August kam noch Partei-Chefin Annalena Baerbock in die Bielefelder Stadthalle. Danach entfaltete sich der Skandal. „Islamismus-Verdacht: Zoff um Grünen-Kandidat“, berichtete die Zeitung „Der Westen“ vor wenigen Tagen. „Kocabey kandidiert in Bielefeld-Brackwede für die Grünen. (Er) ist aber auch Mitglied der Hicret-Moschee-Gemeinde, die zur Islamischen Gemeinde Millî Görüş (IGMG) gehört. Millî Görüş ist eine islamistische Bewegung in der Türkei, die bis zur Machtergreifung (des türkischen Präsidenten, Anm. d. Red.) Recep Tayyip Erdogan sogar dort verboten war. Laut Bundesverfassungsschutz weist Millî Görüş eine antidemokratische und antisemitische Weltanschauung auf, steht in Gegnerschaft zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. (...) Wie passt das zusammen?“
Sputnik wollte zu dem Fall mehr erfahren und hat bei der Islamismus-Expertin und Lehrerin Birgit Ebel aus der Region nachgefragt. Sie ist selbst Mitglied bei den Grünen, Lehrerin in Herford, Frauenrechtlerin sowie Gründerin der Präventions- und Aufklärungs-Initiative „extrem dagegen!“, die sich gegen Islamismus und Extremismus einsetzt. Dabei ist sie laut eigener Aussage mit „Jugendlichen mit Migrationshintergrund in der Region und ganz Deutschland unterwegs“ und politisch aktiv gegen Radikalisierung bei jungen Menschen. Sie schreibt auch für das Frauenmagazin "Emma".
„Es ist tatsächlich so, dass Servet Kocabey schon länger bei den Grünen Mitglied ist“, sagte Ebel im Interview. „Schon bei der letzten Kommunalwahl 2014 ist er für einen Wahlbezirk angetreten. Aufgrund des Wahlergebnisses ist er damals nicht in die Bezirksvertretung gekommen. Nun ist er erneut als Kandidat aufgestellt worden. Was mich besonders empört: Er ist in Abwesenheit (von seiner Partei, Anm. d. Red.) gewählt worden. Ich bin selbst am 13. Juni auf dem Kommunalwahl-Parteitag gewesen, weil ich das in keiner Weise akzeptieren kann, dass ein Millî Görüş-Mitglied politisch hofiert wird. Ich habe ihn noch nie auf einer Mitgliederversammlung der Grünen erlebt. Das kritisiere ich schon lange.“
Kocabey sei sogar „ein Kader“ einer mutmaßlich islamistischen Vereinigung, die auch vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Darüber hinaus „war er Sprecher der Hicret-Gemeinde, der Moschee-Gemeinde von Millî Görüş. Und er war stellvertretender Sprecher des Bündnisses Islamischer Gemeinden in Bielefeld, wo auch suspekte Personen und Moscheen organisiert sind.“
Das Grundproblem lässt sich Ebel zufolge mit dem Satz „Wir sprechen mit den Falschen“ zusammenfassen. Ein Spruch, der auch häufig von renommierten Islamismus-Kritikern und Experten formuliert wird. Es gebe viele demokratische Kräfte in Islam- und Migranten-Verbänden. Nur spreche die Politik zu wenig mit diesen und zu oft mit Radikalen und Extremisten, kritisierte die Pädagogin.
Kocabey habe seine umstrittenen Ämter erst niedergelegt, „als negative Presseberichte auf Landesebene aufgetaucht sind und als es die kritischen Debatten gab. Man konnte mehrfach in der Presse lesen, dass er sich zu umstrittenen Koran-Rezitationen geäußert hat. Es ist ja nicht so, dass er aus der Organisation Millî Görüş ausgetreten ist. Er hat nur angeblich seine Sprecher-Funktion niedergelegt.“
Um den Bau einer Großmoschee in Bielefeld durchzuboxen, hatte Kocabey im Jahr 2018 Medienberichten zufolge Lokalpolitikern und dem städtischen Bauamt „Rechtspopulismus und kranke Ideale“ vorgeworfen. Das rief schon damals Kritik durch regionale Parteien hervor. Darunter die CDU in Bielefeld-Brackwede, die auch aktuell den Kommunalwahl-Kandidaten der Grünen scharf kritisiert. Ein Sprecher der umstrittenen Hicret-Moschee sagte am Donnerstag laut der „Neuen Westfälischen“, die Gemeinde sehe sich als „Opfer im CDU-Wahlkampf“.
Die Aufstellung des mutmaßlichen Islamisten durch die Grünen sei ein Fehler ihrer Partei, so Ebel. „Ich erlaube mir diese Kritik, ich bin seit 24 Jahren selber Mitglied bei den Grünen und achte sehr darauf, ob wir wirklich demokratische und zu unserem Parteiprogramm passende Mitglieder haben. Da man weiß, dass in unserer Region Unterwanderung durch Islamisten stattfindet. Es ist unglaublich blamabel, dass so jemand bei uns Mitglied sein kann.“
So gebe es in der Region auch „eine Salafisten-Hochburg“. Außerdem sei bekannt, dass in der Region die Zustimmung in der Bevölkerung „zur AKP-Politik“ von Erdogan sehr hoch sei. „Fast alle Moschee-Gemeinden hier sind völlig reaktionär. Das dort gelebte Frauenbild ist unerträglich. Selbst an Schulen erlebe ich (als Lehrerin, Anm. d. Red.), dass die jungen Leute in den Moscheen aufgehetzt werden. Gegen Juden, gegen Kurden, gegen Jesiden. Sie rechtfertigen Krieg. Da bin ich sehr aufmerksam.“
Die grüne Parteispitze in Bielefeld um OB-Kandidatin Kerstin Haarmann sieht laut Medien in der Personalentscheidung „kein Problem.“ Auch der beschuldigte Kocabey verteidigt sich. Lokalen Medien gegenüber sagte er: „Von der Millî Görüş-Bewegung distanziere ich mich ausdrücklich. Antisemitismus und Rassismus sind nicht akzeptabel und ich setze mich für eine Gesellschaft ein, die Diskriminierung überwindet. Von meinen Ämtern in der Hicret-Gemeinde trete ich zurück.“
„Nach meinem Eindruck ist das eine typische Reaktion von jemandem, der weiterhin an seinen (islamistischen, Anm. d. Red.) Zielen festhält“, analysierte Islamismus-Kritikerin Ebel. „Sonst würde er austreten, doch davon ist nicht die Rede. Er könnte ja aus der Organisation austreten und weiterhin Muslim bleiben. In welcher Weise findet denn die Distanzierung statt?“ Dies sei keine Frage der islamischen Religion. „Die Diskussion würde dann völlig falsch geführt. Wenn man Millî Görüş kritisiert, diese verfassungsfeindliche Organisation, ist man nicht gegen die Religionsausübung oder gegen Migranten allgemein – darum geht es nicht.“ Es gehe letztlich um das Enttarnen demokratiefeindlicher, islamistischer Kräfte in NRW und Deutschland.
„Berufene Experten sagen, dass Millî Görüş der türkische Arm der Muslimbruderschaft ist. Das sagt zum Beispiel mein guter Freund Ali Ertan Toprak, der Vorsitzender der 'Kurdischen Gemeinde in Deutschland' und Präsident der 'Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände' ist. 2011 ist er bei den Grünen ausgestiegen, weil er es nicht ertragen konnte, wie dem politischen Scharia-Islam der Boden bereitet wird. Toprak war davor Mitarbeiter von (dem früheren Parteichef, Anm. d. Red.) Cem Özdemir. Mittlerweile ist er bei der CDU.“
Toprak gab dem „Westfalen-Blatt“ vor wenigen Tagen ein Interview, in dem er unter anderem mit Blick auf den umstrittenen Kandidaten Kocabey sagte: „Ich bin entsetzt über die Grünen“.
Auch der grüne Spitzenpolitiker Özdemir hat den Vorfall bereits öffentlichkeitswirksam kommentiert. „Wer in Deutschland für eine demokratische Partei antritt, darf nicht erpressbar sein, weder von Erdogan noch von einem türkisch-nationalistischen Verein“, sagte er.
Diese Aussage lobte die Lehrerin und Islamismus-Expertin Ebel: „Ich finde es gut, dass sich Cem Özdemir geäußert hat. Er hat sich immer positioniert gegen türkische Nationalisten und die rechtsextreme Politik von Erdogan. Auch der Grünen-Landesverband ist kontaktiert worden von verschiedenen Mitgliedern." Viele Vertreter aus anderen Kreisverbänden üben demnach ebenso Kritik an der Personalentscheidung. „Die anderen Ebenen müssen sich einschalten, weil wir als Partei einen Ruf zu verlieren haben.“
Auch weitere umstrittene Parteien wie die BIG-Partei treten „nun erstmals zur Oberbürgermeisterwahl in Bielefeld an. Ich würde sagen, diese Partei ist hier regional durch die Muslimbruderschaft geprägt. Es sind auch einige pro-Erdogan Symphatisanten dabei, auch Araber. Ich halte diese Leute für nicht demokratiefähig. Es gab sogar den Besuch eines Muslimbruders aus Frankfurt am Main bei der hiesigen BIG am siebten April 2018. Auch das habe ich aufgedeckt, gemeinsam mit meiner Mitstreiterin und Freundin Sigrid Herrmann-Marschall.“
Ebel warnt davor, dass sich der radikale politische Islam „immer weiter in unserer Zivilgesellschaft und in politischen Ebenen und Gremien“ ausbreitet. Nicht nur, aber auch in Bielefeld, Nordrhein-Westfalen und bundesweit.
Das Radio-Interview mit Birgit Ebel („extrem dagegen!“) zum Nachhören: