Autorius: Valentina Schacht Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2020-07-08 10:13:00, skaitė 857, komentavo 0
Zeigt man Studenten heutzutage einige Werke des „Neuen Deutschen Films“, also Streifen von Rainer Werner Fassbinder, Herbert Achternbusch, Peter Fleischmann, Werner Schroeter, Margarethe von Trotta, Volker von Schlöndorff, Hans-Jürgen Syberberg oder Rosa von Praunheim, dann lautet deren erstaunte Frage: „Für diese Filme hat man damals Fördergeld bekommen?“
Den Studierenden ist rätselhaft, dass Filme, die eine hochkomplexe Gestaltung aufwiesen und konträr zur (damaligen) Staatsdoktrin standen, dennoch staatliche Subvention erhielten. Das heißt: Die Bundesländer haben Kritik, haben Widerspruch zur eigenen Politik gefördert.
Gipfel des Unvorstellbaren: Der Film „Deutschland im Herbst“ (1978). Der enthielt kritische Stellungnahmen von Regisseuren wie Fassbinder oder Alexander Kluge zum RAF-Herbst 1977, mit subversiver Botschaft gegen die Regierung. Und dieses Werk lief unbehelligt in den Kinos. Niemand verlor seinen Job, die Rezensionen waren pluralistisch und differenziert. Nur die Springer-Presse hatte ein Problem mit der Subventionierung des politischer Subversion, setzte sich aber nicht durch. Bald nach der Kinoauswertung liefen die „Neuen Deutschen Filme“ auch im TV.
40 Jahre später, verliert der Geschäftsführer der hessischen Filmförderung, Hans Joachim Mendig, seinen Job, weil er sich mit dem PR-Berater Moritz Hunzinger und – nein, das kann und darf nicht sein – dem AfD-Vorsitzenden Jörg Meuthen in Frankfurt privat zum Essen getroffen hat. Inhalt des Gesprächs? Unbekannt, aber das ist egal. Postwendend forderten 300 konformistische Staatskünstler Mendigs Rücktritt, darunter Rüdiger Suchsland (Filmkritiker), der Regisseur Dominik Graf, Jasmin Tabatabei, Jasna Fritzi Bauer oder Iris Berben. Und so geschah es: Mendig musste gehen (COMPACT-Online berichtete).
Erinnern wir uns: 1933 trieben die Nazis oppositionellen Filmschaffende in die Migration und achteten streng auf Pro-NS-Haltung der Kinos. Reichsfilmdramaturgen hatten zuvor eingereichte Drehbücher im Sinne des Propagandaminister Joseph Goebbels auf Linientreue und Gehorsam zu prüfen. Diesen Job übernimmt jetzt die Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein (FFHSH). Von solchen Gremien sind deutsche Filmproduktionen leider abhängig, denn eine Filmindustrie, die ausschließlich via Markt funktioniert, gibt es hierzulande (fast) nicht.
Wer sich jetzt bei der FFHSH einen Förder-Antrag runterlädt, erfährt im Vorwort, dass sein Projekt eine „vielfältige, multikulturelle Gesellschaft modern und in allen ihren Facetten auf der Leinwand“ abbilden soll. Schließlich hätten Filmemacher „die Verantwortung und auch die Chance, diese diverse Gesellschaft, die unserer Alltagsumgebung gegenwärtig ist, auch im Film zu repräsentieren.“ Damit wären historische Stoffe weitreichend ausgeschlossen. Um zu prüfen, ob die Antragsteller es auch ernst meinen, hat die FFHSH einen Fragebogen, eine „Diversity Checklist“ beigefügt. Die Jury will wissen:
Thematisiert der Film den „Alltag in der dritten Lebensphase, Geschlechterrollen, Hautfarbe bzw. People of Color, Leben mit Behinderung, Mehrgeneratives Zusammenleben, Migration und Vertreibung, religiöse oder weltanschauliche Fragen, sexuelle Identitäten“, oder den sozioökonomischen Status? Damit diese Themen aber nicht in einer Nebenhandlung landen, folgt die Frage: „Sind eine oder mehrere Hauptfiguren direkt in genannte Themen involviert?“
Wer einen Film über Soldaten während eines Krieges drehen möchte, könnte bei der nächsten Frage auf Granit beißen: „Sind die Geschlechter in der Geschichte ausgeglichen repräsentiert bzw. dargestellt?“ Von Shakespeares Dramen ließe sich eigentlich nur noch „Othello“ verfilmen, denn: „Kommen bei den Figuren People of Color vor?“ Auch „Romeo und Julia“ wäre als Filmstoff ungeeignet, denn die FFHSH fragt auch: „Tauchen Figuren mit anderer als heterosexueller Orientierung auf?“ usw.
Damit die Diversity-Darstellung aber keinen Berg von Klischees generiert, will die Jury wissen: „Durch welche Ansätze in der Figurenentwicklung werden klischeehafte Rollenbilder vermieden? (bitte beschreiben)“ Kurzum, der optimale Film für die FFHSH wäre demnach „Fack ju Göhte 4“, der angeblich auch in Planung ist… Halt! Stopp! Auch der könnte scheitern! Schließlich will das Gremium auch, dass die Diversity nicht nur im Produkt, sondern auch hinter der Kamera vorhanden ist: „Sind die Geschlechter im gesamten Team ausgeglichen repräsentiert?“ lautet eine der Fragen.