Autorius: Karel Meissner Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2020-06-02 12:56:00, skaitė 858, komentavo 0
Am Freitag wurde dem Stadtschloss in Berlin Mitte die rekonstruierte Kuppelkrone mit goldenem Kreuz aufgesetzt. Ermöglicht hat dies eine private Spende der Witwe von Werner Otto, einstigem Besitzer des Otto-Versandhauses. Die originale Kuppelkrone wurde 1854 vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. angebracht und mit einem blauen Spruchband versehen. Darauf stand: „Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Daß in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.“
Kuppelkrone. Foto: Dmicha, „Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen“in Version 4.0. „CC-by-sa 4.0“, via Wikipedia
Schon im Vorfeld war die Rekonstruktion der Krone heftig umstritten, vor allem im linksgrünen Lager. Das hatte auch mit der neuen Funktion des Schlosses zu tun: Als ethnologisches Museum (Humboldt Forum) zeigt es Exponate aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien sowie Objekte zur Geschichte Berlins. Und all das versammelt unter einem Satz, der die Alleinherrschaft des Christentums fordert? Ist das nicht Neo-Kolonialismus? Die Kuratorin Mahret Kupka mahnt: „Das Christentum ist ein Kanal gewesen, über den auch der Kolonialismus mit funktionierte und bestärkt wurde. Es geschah quasi im Namen des Christentums, dass Dinge geraubt oder zerstört wurden.“ Außerdem sei es „eine immer wieder gern vernachlässigte Tatsache, dass Deutschland eine sehr heterogene Gesellschaft ist“. Sie habe sich eine offenere Rekonstruktion gewünscht.
Vor allem die Mainstream-Medien legten sich mächtig ins Zeug: „Die unmögliche Inschrift“ titelte die Süddeutsche Zeitung ihren Bericht. Die FAZ kritisierte den „absoluten christlichen Herrschaftsanspruch“ durch Kreuz und Inschrift. Beides „vergiftet die ohnehin ideologisch aufgeladene Atmosphäre um das Weltkulturenmuseum des Bundes erst recht“. Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt Forums, antwortete, es verstehe sich doch von selbst, „dass wir uns von jeglichen Macht-, Alleingültigkeits- oder gar Herrschaftsansprüchen distanzieren, die aus diesen Zeichen oder Inschriften abgeleitet werden können“.
Außerdem handelt es sich bei dem Bau um eine Rekonstruktion. Die muss den zerstörten Bau zwar nicht 1:1 nachbauen, ihn aber auch nicht in einen komplett neutralisierten Behälter des Humboldt Forums verwandeln. Wer das möchte, muss Rekonstruktionen komplett ablehnen, transportieren die doch stets vergangene Denkweisen und Weltsichten – mehr oder weniger offen. Erhalt oder Wiederaufbau widersprechen per se einer Zeitgeist-Ideologie, die die Vergangenheit umschreiben, zur Light-Version entschärfen möchten: Harmonie durch Weglassen, durch Anpassung. Keine Brüche, keine Ecken und Kanten mehr ertragen müssen. Solches Abschleifen entspricht der Umschreibung alter Kinderbücher oder stalinistischer Retuschierung alter Fotos, die Parteigenossen zeigten, die danach in Ungnade gefallen waren.