Corona-Krise: „Ostdeutsche Wirtschaft besser gerüstet“ – Maschinenbauer zuversichtlich

Autorius: Alexander Boos Šaltinis: https://de.sputniknews.com/wir... 2020-05-05 22:37:00, skaitė 776, komentavo 0

Corona-Krise: „Ostdeutsche Wirtschaft besser gerüstet“ – Maschinenbauer zuversichtlich

Ausfallende Lieferketten, Finanzierungs-Probleme und wegbrechende Aufträge – nur einige der derzeit akuten Probleme im Maschinenbau Ostdeutschlands. „Aber es gibt in der Corona-Krise auch Lichtblicke“, sagt Oliver Köhn im Sputnik-Interview. Er ist Geschäftsführer des ostdeutschen „Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau“ (VDMA Ost).

„Wir spüren natürlich die mit der Corona-Krise verbundenen Probleme und das wirkt sich auf die aktuelle Situation massiv aus“, erklärte Oliver Köhn, Geschäftsführer des ostdeutschen „Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau“ VDMA Ost, im Sputnik-Interview. „Bei unserer jüngsten Konjunktur-Umfrage haben wir auch spezielle Fragen zur Corona-Pandemie gestellt.“ Als häufigstes Problem im ostdeutschen Maschinenbau werde demnach der Ausfall von Mitarbeitern „in Folge von Kinderbetreuung und Pflege“ genannt. Geschlossene Kitas und Schulen führen zu diesem verstärkten Ausfall von Mitarbeitern in Zeiten von SARS-CoV 2 (Covid-19).

„Dazu kommen die nach wie vor nur sehr undurchlässigen Grenzen. Das wirkt sich besonders auf die Inbetriebnahme und die Auslieferung von Maschinen und Anlagen aus. Auch die Bereiche Service und Wartung sind davon betroffen.“ Hinzu kämen Probleme bei der Zulieferung von benötigten Bauteilen. „Mittlerweile gibt es leider auch auf der Nachfrage-Seite (darunter Kunden-Aufträge, Anm. d. Red.) deutliche Umsatzrückgänge.“

Diese Entwicklung kam zwar nicht aus dem Nichts, überraschte aber trotzdem etwas. Denn noch Anfang März betonte Köhn im Studio-Gespräch, dass der Maschinenbau im Osten – vor allem in Berlin und Brandenburg – zum Jahresanfang „ein moderates Wachstum“ hingelegt hatte.

Trotz Krise: Einige Ost-Unternehmen „machen sehr gutes Geschäft“

Was die aktuelle Betroffenheit der ostdeutschen Betriebe in der Krise angehe, „kommt es auf die jeweilige Teil-Branche an“, stellte der Verbandsgeschäftsführer klar. Da gebe es innerhalb der Branche sehr große Unterschiede. „Das hängt natürlich mit der aktuellen Nachfrage zusammen.“ In manchen Teilbereichen der Maschinenbau-Branche im Osten ruhe aktuell die Produktion. Andere Betriebe hingegen florieren.

„Momentan haben Unternehmen im Bereich der Pharmazie und Medizin-Technik oder in der Verpackungs-Industrie durchaus ein sehr gutes Geschäft. Unternehmen, die in der Lage sind, Atemschutzmasken oder Beatmungsgeräte herzustellen oder anzubieten, sind im Moment natürlich mit einer sehr hohen Nachfrage konfrontiert. Diese sind demzufolge nicht so stark beeinträchtigt wie der klassische Werkzeugmaschinenbau oder der Werkzeug- und Formenbau.“

Lichtblicke am Horizont: Asiens Produktion läuft wieder, erste Lockerungen

„Es gibt positive Tendenzen und Lichtblicke“, sagte Köhn im Gespräch. „Sachsen-Anhalt hat (am Montag, Anm. d. Red.) erste Erleichterungen und Lockerungen der Corona-Maßnahmen in Kraft gesetzt. Wir hoffen, dass sich das auch auf andere Bundesländer im Osten ausweiten wird. Auch international wäre das wünschenswert. In Spanien sehen wir erste Lockerungen. Unsere europäischen Handelspartner sind natürlich auch ganz wichtig für die Wirtschaft hier.“

Weiterhin könnte der Branche im Osten auch folgender Fakt mehr Hoffnung geben:

„Zum einen sehen wir, dass sich in Asien die Märkte schon wieder deutlich stabilisieren. Wir haben etliche Mitglieds-Unternehmen, die nicht nur in den asiatischen Raum liefern, sondern dort auch über eigene Niederlassungen verfügen und vor Ort produzieren. Dort sind mittlerweile 60 Prozent der Unternehmen wieder auf Vor-Krisenniveau angekommen. Da geht es deutlich aufwärts.“

„Industrie im Osten besser gerüstet als westdeutsche“ – Studie

Auch sehr positiv zu bewerten und ein weiterer Mutmacher für die nahe Zukunft sei eine aktuelle Wirtschafts-Studie des „Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung“ (IWH) in Halle (Saale), die VDMA-Ost-Chef Köhn lobend hervorhob. „Demnach wird der ostdeutsche Maschinenbau wahrscheinlich nicht so stark betroffen von der Krise sein wie der westdeutsche.“ Dies hänge vor allem „mit der allgemeinen Wirtschaftsstruktur im Osten zusammen. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes in Ostdeutschland hat insgesamt nur einen Anteil von 16 Prozent an der gesamtdeutschen Wirtschaftsleistung.“

Zudem war die ostdeutsche Wirtschaft vor der Krise laut Statistiken sogar besser aufgestellt als die Industrie in Westdeutschland.

„Der Osten hatte auch vor Corona-Zeiten ein größeres Wachstum zu verzeichnen gehabt als die westdeutsche Wirtschaft. Insofern geht das IWH davon aus, dass der Osten insgesamt etwas glimpflicher durch die Krise kommen wird. Diesen positiven Ausblick greifen wir auch gern auf.“

Ostdeutschlands Industrie ist historisch und volkswirtschaftlich gesehen anders gewachsen. Dies hat vor allem – aber nicht nur – mit der DDR-Vergangenheit zu tun. „Wir denken, dass in solch einer Phase wie jetzt die kleinteilige sowie flexible Wirtschaftsstruktur im Osten ein Vorteil sein könnte und sich unsere Unternehmen mit dieser hohen Flexibilität dann doch sehr gut und schnell durch die Krise manövrieren werden.“

Ostdeutsche Mentalität: Ein Schlüssel zum Erfolg

„Um auch während der schwierigen Situation möglichst viele Mitarbeiter zu halten, setzten die Unternehmen im ersten Quartal 2020 auf vielfältige Instrumente“, heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung des VDMA Ost, die der Sputnik-Redaktion vorliegt. „In den meisten Betrieben bauten die Beschäftigten vermehrt Überstunden, Arbeitszeitkonten und Urlaub ab. Regelungen für Home-Office, flexible Arbeitszeiten und Schichtmodelle sowie die Reduzierung von Leiharbeit trugen ebenfalls zur Bewältigung der Herausforderung bei. Aber auch das Thema Kurzarbeit rückte in den Fokus: Bis Ende März 2020 hatten etwa 44 Prozent der Unternehmen Kurzarbeit eingeführt, weitere 20 Prozent Kurzarbeit beantragt.“

„Wir sind doch relativ krisenerprobt“, spannte Verbands-Chef Köhn einen großen sozialpolitischen Bogen. „Das zeichnet nicht nur den ostdeutschen Maschinenbau, sondern den Ostdeutschen allgemein aus. Das zeichnet unsere Mentalität aus. In den letzten 30 Jahren haben wir viele Höhen und Tiefen erlebt. Ich glaube, dass dieser Optimismus und die positive Grundeinstellung dazu beitragen, dass wir hoffentlich bald die Krise überstanden haben.“

Er warnte vor einer „großen zweiten Welle, die zu neuen Einschränkungen und einem erneuten Lockdown führen könnte. Das wäre in der Tat eine Katastrophe. Wenn wir aber die richtigen Schritte nach und nach gehen mit immer weiterführenden Lockerungen – dass die Kinder wieder in die Schule und die Eltern wieder in die Unternehmen gehen können – dann bin ich doch optimistisch, dass wir relativ zügig durch diese Krise kommen werden.“ Gesundheitsschutz und „angemessenes Wirtschaften“ müsse auch in der Krise möglich sein.

Corona: „Harter Einschnitt für Maschinenbau im Osten“

„Harter Einschnitt im ostdeutschen Maschinenbau“, so die Pressemitteilung des Verbands. „Die Corona-Pandemie hat die Ende 2019 zunehmende Hoffnung auf eine Konjunkturbelebung schon im Keim wieder erstickt. Stattdessen prägen eine angespannte Auftragslage und eine spürbar reduzierte Kapazitätsauslastung die aktuelle wirtschaftliche Situation. Auch die Prognosen sind überwiegend negativ. 65 Prozent der Betriebe erwarten 2020 ein eher schlechtes Geschäftsjahr. Das ergab eine Umfrage des VDMA Ost unter den 350 Mitglieds-Unternehmen in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.“

Viele ostdeutsche Betriebe können demnach fertiggestellte Maschinen „nicht an die Kunden ausliefern. Sei es, weil Kunden ihre Betriebsstätten schließen mussten, im eigenen Unternehmen und bei den Kunden Mitarbeiter wegen Krankheit und Kinderbetreuung fehlen oder weil Monteure von den Beschränkungen für Auslandsreisen betroffen sind. (…) Maschinenbauer müssen Aufträge häufig zu einem großen Teil vorfinanzieren. (…) Jetzt stehen die fertigen Maschinen in den Werkhallen und können nicht in Betrieb genommen werden. Den Firmen brechen damit fest eingeplante Umsätze weg, was ihre Zahlungsfähigkeit spürbar bedrohen kann.“

Außerdem sehen „viele Maschinen- und Anlagenbauer die bisherigen Hilfsmaßnahmen von Bund und Ländern positiv. Doch es gibt auch Kritik. Viele Firmen wünschen sich Zuschüsse anstelle von Krediten.“

Das komplette Radio-Interview mit Oliver Köhn (VDMA Ost) zum Nachhören: