Autorius: SputnikNews Šaltinis: https://de.sputniknews.com/pan... 2020-02-01 21:06:30, skaitė 644, komentavo 0
Dagegen stellt die Jugend aus seiner Sicht den verwickeltsten, zuweilen auch beunruhigenden Faktor dar. Nach dem Wandel des Russlandbildes bei den Deutschen gefragt, stellte Tschubarjan selbst die Frage: „Wo ist die Zahl der russischsprachigen Periodika am größten? In Deutschland! Dies zeugt von einem gewissen Interesse an Russland und den Russen, von denen dort knapp drei Millionen leben. Das ist ja bezeichnend.“
Der namhafte Historiker bezeichnet dies als eine psychologische Erscheinung. „Zwei Kriege, ein Blutbad auf beiden Seiten. Dennoch haben wir kein antideutsches Syndrom gehabt. Darin äußert sich vielleicht unsere psychologische Ähnlichkeit miteinander.“ Er erinnert an Stalins Worte „Die Hitlers kommen und gehen, das deutsche Volk aber bleibt“, die einen kolossalen Einfluss hatten, obwohl sie schon im Jahr 1942 gesagt wurden, als noch erbitterte Kämpfe andauerten. Nach diesen Worten wurde die Veröffentlichung eines stark antideutschen Romans von Ilja Ehrenburg untersagt. „Es gab auch das berühmte Plakat ‚Töte den Deutschen!‛, das dann verschwand.“
Im Allgemeinen sei Russlands Volk gutmütig, so Tschubarjan weiter: „Auch haben wir in Russland einen Charakterzug, nämlich die allgemeine Vergebung. Wir neigen dazu, einander zu vergeben. Russische Menschen sind nicht nachtragend. Gegenüber Deutschland stellt dies ein interessantes Phänomen dar. Uns verbindet eine große Gemeinsamkeit. Auch heute ist das Bild Russlands in Deutschland weniger negativ geworden. Da ist aber auch Ostdeutschland, das nach so vielen Jahren anders als Westdeutschland abstimmt. Die Menschn scheinen ihre DDR-Vergangenheit vergessen zu haben.“
Prof. Tschubarjan erzählte, er habe vor einigen Jahren mit Angela Merkel gesprochen. Und sie habe ihm gesagt, Russen würden sich besser als Türken in Deutschland einleben.
„Russen haben viele Mischehen mit Deutschen. Auch geographisch gesehen stehen wir einander nah. Selbst die Rivalität führt zu Kontakten. Lebt man weit voneinander entfernt, und ist man einander gleichgültig, dann fühlt man weder Feindschaft noch Freundschaft zueinander. Aber beim Vorhandensein einer Rivalität erzeugt sie ein System der wechselseitigen Abhängigkeit.“
Prof. Stefan Karner, Gründer und ehemaliger Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung in Graz äußerte im Sputnik-Gespräch: „Das Bild Russlands in Zentraleuropa, so in Österreich, ist im Laufe der Geschichte großen Wandlungen unterworfen gewesen. Das ergibt sich aus vielen politischen Implikationen, von einer sehr positiven Sicht, etwa beim Wiener Kongress 1815 oder dann im 19. Jahrhundert, und dann war natürlich im Ersten Weltkrieg ein anderes Bild. Der Russe wurde als Feindbild hochstilisiert.
Der angesehene österreichische Historiker merkt an: „Serbien und Russland waren Feindbilder in Österreich in Zentraleuropa, auch in Deutschland. Und dann, in der Zwischenkriegszeit galt Russland oder die Sowjetunion als ein Hort, wohin unsere Kommunisten geflüchtet sind. Das war das rote kommunistische Russland, was später von den Nationalsozialisten instrumentalisiert wurde. Wenn es auch den Ribbentrop-Molotow-Pakt gegeben hat, dennoch war das Bild von den Nationalsozialisten geprägt. Der Russe war in der Propaganda ein Untermensch. Das war bis Ende der 40er Jahre, durchaus noch auch nach dem Krieg von verschiedener Seite tradiert worden. Dann kommen die Besatzungsjahre, etwa in Ostdeutschland.“
„Sie war natürlich gegeben“, gibt der Wissenschaftler zu. „Die Rote Armee hat Ostösterreich vom Nationalsozialismus befreit. Es ist keine Frage, aber gleichzeitig begann auch die Besatzungszeit. Sie haben sich im kollektiven Gedächtnis der Österreicher als nicht nur eine Zeit einer guten Beziehung eingeprägt, sondern auch eine Zeit schweren menschlichen Leides. Es gab viele Übergriffe durch Angehörige der Roten Armee. Auf der anderen Seite gab es ganz viele positive Handlungen. Das ist ein Bild, das durchaus sehr bunt ist. Das ist aber im Gedächtnis geblieben.“
Prof. Karner weiter: „Dieses Bild wurde 1955 mit dem österreichischen Staatsvertrag überlagert. Das OK der Sowjetunion war schon für die Stimmung in der österreichischen Bevölkerung wesentlich. Und dann hat sich eine sehr gute und breite Zusammenarbeit entwickelt, trotz unterschiedlicher politischer Systeme. Das ist wichtig. Österreich war für die Sowjetunion das erste Land im Westen und für den Westen konnte es ein Vorposten für verschiedene Verbindungen hin in den kommunistischen Block sein.“
Der Historiker betont die Rolle Österreichs als neutraler Staat und Brückenbauer zwischen den Systemen im Kalten Krieg. „Österreich hatte ein hohes Ansehen, und die Russen hatten besonders in Österreich auch immer stärker ein hohes Ansehen als Partner in der Wirtschaft genossen. Wir hatten 1968 das erste Gas bekommen. Seitdem gilt der Russe in Österreich als ein Vertragspartner, auf den man sich verlassen kann. Einmal unterschrieben, und der Vertrag hält. Das ist Vertrauen. Und das ist ganz wichtig, das weiß jeder Österreicher.
„Und heute ist es so“, fügt Prof Karner hinzu, „dass wir heute viel mehr Russen in Österreich als Touristen zu Besuch haben, leider weniger Österreicher in Russland. Das ist aber auch klar: Österreich ist ein kleines Land von der Einwohnerzahl, etwa halb so groß wie Moskau. Und wir freuen uns über jeden Russen, der zu uns auf Besuch kommt, der mit uns auch gemeinsam in der Wissenschaft und in der Kultur Brücken baut. Ich persönlich freue mich, dass in diesem Jahr Russland eine wichtige Rolle spielen wird, wenn es gilt, 100 Jahre Salzburger Festspiele zu feiern.“