Autorius: RT deutsch Šaltinis: https://deutsch.rt.com/inland/... 2016-07-27 21:10:00, skaitė 916, komentavo 0
Der mutmaßliche Amokläufer von München hat sich offenbar den islamkritischen Attentäter von Oslo und Utoya, Anders Behring Breivik, zum Vorbild genommen. Neben dem Datum der Bluttat – exakt fünf Jahre nach den Anschlägen mit 77 Toten in Norwegen – deuten noch weitere Indizien auf eine Inspiration des Täters durch Breivik hin.
Neben dem Datum, dem 22. Juli, hatte der Amoklauf des 18-jährigen David S. am Freitag in München auch das Opferprofil mit jenem Breiviks gemeinsam. Zudem hatte er bisherigen Erkenntnissen zufolge auch die gleiche Waffe wie Breivik benutzt. Die Polizei spricht zudem von einem „Manifest“, das David S. im Vorfeld der Tat angefertigt hat und das sich noch unter Verschluss befindet.
Wie im Fall Breiviks waren die Opfer des Amoklaufs von München zwischen 14 und 19 Jahren alt. Der derzeitige Ermittlungsstand legt die Annahme nahe, dass der mutmaßliche Täter vor Ausführung der Tat gezielt Personen aus dieser Altersgruppe angelockt hatte. So wurden Facebook-Nutzer auf das offensichtlich gefälschte Profil eines weiblichen Teenagers gelenkt, auf dem mehrfach eine vermeintliche Einladung zum Eisessen an den späteren Tatort ausgesprochen wurde. Die angegebene Zeit geht mit der Tatzeit konform.
Im TeamSpeak-Chat einer „Counterstrike“-Gamergruppe soll sich der Deutsch-Iraner zudem auch mit dem Amokläufer von Winnenden solidarisiert haben, der 2009 an seiner früheren Realschule und in deren Umfeld 15 Menschen getötet hatte, bevor er sich selbst richtete. David S. soll sogar die Stadt besucht und die Plätze fotografiert haben, an denen sich die Tat ereignete. Auch wurde in der Wohnung des Tatverdächtigen ein Buch über die Psyche von Amokläufern gefunden. S., der sich in seiner Freizeit intensiv mit Ego-Shootern beschäftigt hatte, hat sich offenbar bereits seit längerer Zeit minutiös auf seine Tat vorbereitet.
Im Vorjahr stand der Teenager wegen sozialer Phobien und Depressionen in psychiatrischer Behandlung, über zwei Monate hinweg sogar stationär. Ob S. später die verordneten Psychopharmaka auch eingenommen hat, ist bis dato ungeklärt. Dass sein Geburtstag auf den selben Tag wie den Adolf Hitlers fiel, soll David als besondere Fügung verstanden haben, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit Verweis auf Ermittlerkreise.
Selbsternannte „Experten“ hatten am Tat-Freitag einen möglichen „islamistischen“ Hintergrund des Amoklaufes ins Spiel gebracht. Von dieser Annahme scheint nun nichts mehr übrig zu bleiben. In Online-Shootergruppen sei der Deutsch-Iraner stattdessen häufig durch fremdenfeindliche Äußerungen und Sympathiebekundungen für die AfD aufgefallen.
Wie aber kommt es, dass ein junger Doppelstaatsbürger, dessen Vater Iraner ist und der – wie ein auf Video aufgenommenes Wortgefecht mit einem Passanten zeigte – in der Mehrheitsbevölkerung durchaus selbst als „Fremder“ wahrgenommen wird, derartige Anzeichen von Überassimilation zeigt?
Eine mögliche Antwort bietet der so genannte „Arier“-Mythos, der im Iran historisch eine nicht unerhebliche Rolle spielte und auch heute noch vor allem säkularisierten Angehörigen der persischen Mehrheit in dem nahöstlichen Vielvölkerstaat geläufig ist.
Ursprünglich stellte dieser Begriff eine Selbstbezeichnung von Sprechern indoiranischer Sprachen dar. Neben Irland („Eire“) bezeichnet sich heute noch der Iran als „Land der Arier“. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde dieser Ausdruck im Rahmen der damals aufkommenden Evolutionstheorie und darauf aufbauenden europäischen Rassentheorien ideologisiert und biologistisch umgedeutet. Die „Arier“ sollen demnach eine „Herrenrasse“ dargestellt haben. Die Nationalsozialisten erhoben den „Arier“-Mythos zur Staatsideologie.
Obskurer nationalistische Mythen gediehen in Europa und dadurch gelangte die Vorstellung von der vermeintlichen „arischen Nation“ zur Geltung, die sich von Indien kommend über Persien nach Europa bewegt und dabei immer höhere Stufen der Zivilisation erklommen habe. Dies kam auch dem persischen Nationalismus entgegen.
Auch wenn die Perser dieser Theorie zufolge sozusagen nur die Vorstufe der europäischen „Herrenvölker“ dargestellt hätten, bot ihnen die Theorie immer noch eine Rechtfertigung, sich gegenüber anderen auf dem Gebiet des heutigen Iran lebenden Volksgruppen überlegen zu fühlen. Gleichzeitig wird der Akt der Assimilation gegenüber den Europäern so zur Voraussetzung für den vermeintlichen „zivilisatorischen Aufstieg“.
Der historisch aus dem Kerngebiet der persischen Großreiche hervorgegangene Iran ist ein traditionell multikulturelles und multireligiöses Territorium, in dem zu 60 Prozent Perser leben – also Iraner, deren Muttersprache Persisch ist – und darüber hinaus unzählige weitere ethnische Gruppen. Zu diesen gehören vor allem Azeri-Türken, Araber, Kurden, Armenier, Luren, Bachtiaren, Kashgai und zahlreiche weitere. Allein 18 bis 27 Millionen Azeri-Türken sollen laut öffentlich zugänglichen Informationen im Iran leben.
In diesem Video sprechen der ehemalige Präsident Mahmut Ahmadinedschad und Groß-Ayatollah Ali Hamenei Türkisch:
Bezüglich der religiösen Zusammensetzung der Bevölkerung sind die meisten Iraner schiitische Muslime, es existieren jedoch eine Reihe religiöser Minderheiten von Sunniten über Zoroastrier, Christen, Juden oder Ba’hai bis hin zu weiteren traditionellen Religionen mit oder ohne Bezug zu den abrahamitischen Buchreligionen.
Das Regime des Schahs stützte sich stark auf den Arier-Mythos, so definierte er selbst, wie es auch in der offiziellen Staatsbezeichnung zum Ausdruck kommt, den Iran als die „Nation der Arier“. Dies wurde zur Rechtfertigung für zum Einen die eigene servile Politik gegenüber dem Westen nach außen, zum Anderen die teils brutale Assimilationspolitik gegenüber den Nicht-Persern nach innen. Im Einklang mit ähnlichen Bestrebungen in anderen Staaten, die sich am europäischen Nationalismus orientierten, strebte man eine umfassende Persifizierung des Landes an. Diversität galt als unerwünscht.
Die Islamische Revolution hat den Arier-Mythos wieder in den Hintergrund treten lassen, obwohl man grundsätzlich am persischen Narrativ bezüglich der iranischen Identitätsdefinition festhielt. Der Kreis derjenigen Volksgruppen und religiösen Gemeinschaften, die als „nicht zu uns gehörig“ marginalisiert wurden, ist jedoch gegenüber der Schah-Ära kleiner geworden. Mittlerweile können sich fast 90 Prozent der Bevölkerung in der „iranischen Nation“ wiederfinden.
Von Zeit zu Zeit brechen dennoch alte Ressentiments wieder auf und in solchen Fällen gewinnt persischer Ethnozentrismus wieder an Boden, wobei dies im Zweifel mit Assimilationsdruck auf Säkularisten und Ausgrenzung gegenüber Azeri-Türken oder Sunniten einhergeht.
Da ein großer Teil der Auslandsiraner zu den Gegnern der islamischen Revolution gehört und die Diskursveränderungen seit dieser Zeit nicht verinnerlicht hat, leben gerade dort Mythen wie jene des „Ariers“ weiter. Dass diese auch an junge Menschen wie David S. weitergegeben werden können, ist ein möglicher Erklärungsansatz für den tief sitzenden Türkenhass des mutmaßlichen München-Attentäters wie auch für seinen Assimilationsdrang.