Autorius: Jan von Flocken Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2024-01-08 21:20:00, skaitė 1091, komentavo 0
Bei den Bauernprotesten am Brandenburger Tor sieht man seit gestern auch die Friesenfahne mit dem Slogan „Lewer duad üs Slaw“ (Lieber tot als Sklave) – und auch Habeck bekam bei seinem Fähren-Trip am vergangenen Donnerstag bekanntlich einen Vorgeschmack auf friesischen Kampfgeist. Der urdeutsche Stamm im Nordwesten hat eine lange revolutionäre Tradition, die leider mittlerweile ziemlich in Vergessenheit geraten ist. Bestsellerautor Jan von Flocken berichtet über eine friesische Heldin in COMPACT-Geschichte „Deutsche Frauen – Die klügsten und tapfersten aus 2000 Jahren“, den wir aus aktuellem Anlass veröffentlichen.
Wenig wissen wir über das Mädchen Telse Kampen aus Hochwöhrden. Umso mehr von den turbulenten Ereignissen vor gut 500 Jahren in Nordwestdeutschland. Die Bewohner Dithmarschens (deutsche Marschen) im südwestlichen Holstein lebten seit Anfang des 13. Jahrhunderts als freie Bauern auf freiem Land. Sie hatten sich von der Herrschaft des Königs von Dänemark-Norwegen befreit und verwalteten ihr ungefähr 1.400 Quadratkilometer großes Land zwischen Tönning und Brunsbüttel nach republikanischen Maßstäben.
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Die Republik der Freien
Im Europa des Spätfeudalismus stellte die Dithmarscher Republik eine bemerkenswerte Ausnahme dar. Die Herrscher von Dänemark akzeptierten diese selbstständigen Bauern nie. Der seit 1481 regierende König Johann beschloss, seine Autorität in Holstein wiederherzustellen. Auf einem Landtag in Rendsburg forderte er 1499 die Dithmarscher zur Unterwerfung auf. Sie sollten jährlich 15.000 Mark (damals eine ungeheuer große Summe) zahlen und die Errichtung von drei befestigten Schlössern in Meldorf, Brunsbüttel und an der Eider hinnehmen.
Wenn sie sich weigerten, würde der König das ganze Land mit Krieg überziehen. Ihre selbstbewusste Antwort hat Theodor Fontane 1847 in einer Ballade beschrieben:
«Und von den Bauern Wolf Isebrand, der sprach: Er mag nur kommen; / Wir haben aus keines Königs Hand dies Land zu Lehen genommen. / Wir sind zudem vom Aufrechtgehn versteift in unsren Hälsen; / Und wer seine Schlösser auf Marschgrund baut, der baut sie nicht auf Felsen. / Dies Land ist unser, wir haben‘s im Kampf der Sturmflut abgerungen, / Wir bangen vor keines Königs Zorn, wir, die wir das Meer bezwungen.»
Als König Johann diese Antwort hörte, geriet er in wilden Zorn und schwor angeblich, sich solange nicht Bart und Haupthaar zu rasieren, bis er das unverschämte Bauernpack unterworfen habe. Es war ihm bitter ernst damit. Er mobilisierte nicht nur 8.000 Krieger aus Dänemark und Holstein, sondern warb auch noch eine berüchtigte Söldnertruppe an, die sogenannte Sächsische Garde , auch Schwarze
Bande genannt. Diese etwa 4.000 Landsknechte besaßen Erfahrung in der Niederschlagung von Aufständen. Ihr Schlachtruf lautete:
«Wahr Di, Buer, de Gaar kummt!» (Hüte Dich, Bauer, die Garde kommt!).
Bewaffnet waren sie mit bis zu fünf Meter langen Spießen, wahrscheinlich verfügten auch einige
Söldner über Gewehre, sogenannte Hakenbüchsen; sie standen unter dem Kommando des Kölner Junkers Thomas Schleinitz oder Slentz. Ein Chronist berichtet über die Schwarze Bande, «dass man vor diesem Kriegsvolk erschrak, wenn man nur seinem Namen hörte. Weil man es für unüberwindlich hielt und es greulich Raub, Mord und Brand ausübte.
Darsteller während der Dreharbeiten zur NDR-Produktion «Die Schlacht bei Hemmingstedt» 1999.Foto: picture-alliance / dpa
Sie gingen erbärmlich und unchristlich mit den Leuten und ihren Gefangenen um, verschonten keinen Stand oder Geschlecht.» Am 12. Februar 1500 drang Johanns Heer ohne größere Gegenwehr in Windbergen und am Folgetag in Meldorf ein, plünderte die Stadt und massakrierte alle Einwohner, die nicht rechtzeitig fliehen konnten.
«Und Thomas Slentz, an der Seite Johanns, vorauf die gepanzerten Glieder, / So führt er heut, unter schmetterndem Klang, das Heer in die Marsch hernieder, / Zwölftausend sind’s, schon dringen sie vor auf der Marschen getrocknetem Schlamme – / Um Rache schreit in die Nacht hinein brennender Dörfer Flamme»,
so Theodor Fontanes Ballade. Die Schanze der tausend Teufel Das Dithmarscher Heer, etwa 3.000 Kämpfer, hatte sich unter Führung des Landesältesten Wulf Isebrand hinter eine alte Schanze zurückgezogen, den «Dusenddüwelswarf» (Tausendteufelswall) zwischen Epenwöhrden und Hemmingstedt gelegen. Dieser Wall versperrte den einzig möglichen Vormarschweg der Dänen, eine schmale Landstraße nach dem Ort Heide. Sie war durch plötzlich einsetzendes Tauwetter nass und schlüpfrig geworden.
Als am Vormittag des 17. Februar die Sächsische Garde Richtung Norden aus Meldorf abrückte,
öffneten die Bauern mehrere drei Kilometer entfernte Deichsiele. Da es am Vortag fast ununterbrochen geregnet hatte, verwandelten sich die Wege allmählich in Schlammpfade. Der Anmarsch geriet immer mühseliger, und als die Vorhut zur Mittagsstunde vor der Schanze eintraf, waren Artillerie und Nachschubwagen noch kaum aus Meldorf herausgekommen. Die schwere Bewaffnung der Ritter erwies sich nun als Nachteil.
Auf der schmalen Straße konnten sie sich im Morast kaum bewegen. In ihren leichten Rüstungen stürzten die Dithmarscher plötzlich vom Tausendteufelswall auf den Feind, an ihrer Spitze Wulf Isebrand und neben ihm eine junge Frau namens Telse (die friesische Variante des Namens Elisabeth) Kampen. Sie stammte aus Hochwöhrden, einem kleinen Dorf aus der Nordermarsch.
Mit dem Ruf «Help, Maria milde, help!» auf den Lippen stürmte sie, ein Banner in Händen haltend, den Bauern voran auf den Feind. «Zornblitzend die Augen, mit flatterndem Blondhaar und glockenhallender Stimme» feuerte Telse ihre Männer an. Diese benutzten Lanzen als Springstöcke, mit denen die Bewohner seit Urzeiten über die zahlreichen Wasserläufe des Landes sprangen. Zwei Angriffe wurden abgeschlagen. Doch immer mehr in die Enge getrieben, gerieten Landsknechte und Ritter ins Wanken, zumal die von den Dithmarschern zahlreich geöffneten Deichsiele an der Ketelsbütteler Schleuse erst jetzt ihre gesamten Wassermassen ausspien.
«Die Wächter am Strande zögerten noch, da sieh, unter Schäumen und Kochen, / – Die Hilfe Gottes kam mit Gewalt! – wurde die Schleuse zerbrochen, / Schon über die Felder von Hemmingstedt hin brausten Wogen und Wetter – / Das Meer, der Marsen alter Feind, heut kommt es als ihr Retter.»
Blutiger Brauttag
Viele Dänen wandten sich zur Flucht, ertranken aber bei dem Versuch, die Straße zu verlassen. Nun hieß es «Wahr di Gaar, de Buer, de kummt!» (Pass auf Garde, der Bauer kommt). Thomas Slentz kämpfte bis zum letzten Atemzug auf seinem friesischen Hengst. Als Hans von Ahlefeldt, der Träger des dänischen Reichsbanners Danebrog merkte, dass alles verloren war, wickelte er das Fahnentuch um seinen Körper und wurde mit sechs Knappen niedergehauen.
Die Niederlage der Dänen bei Hemmingstedt war vollständig. Als Rache für das Blutbad in Meldorf erschlugen die Dithmarscher alle Feinde, die sie erwischen konnten. Sie beerdigten nur die etwa 4.000 toten Fußknechte; Ritter und Adlige, von denen allein 360 gefallen waren, ließ man nackt so lange auf dem Schlachtfeld liegen, bis ihre abgenagten Knochen in der Sonne bleichten.
Telse Kampen soll vor der Schlacht gelobt haben, ins Kloster zu gehen, wenn den Dithmarschern der Sieg beschieden würde. Ob sie das wirklich tat, ist unbekannt. König Johann von Dänemark musste nicht nur den Verlust seines Heeres, sondern auch der Kriegskasse, der Artillerie und sämtlicher Fahnen beklagen. Er ließ sich entgegen seinem Schwur wieder den Bart rasieren, schnitt die Haare ab und sah von weiteren Attacken gegen die wehrhaften Bauern künftig ab.
«Der König aber floh zu Schiff bis in seine Stadt
am Sunde, / Er trug zu der alten Narbe heim eine
neue brennende Wunde, / Die neue Wunde, – bis
in den Tod woll’t ihm die nie verharschen, – / Das
war der Tag von Hemmingstedt, der Brauttag der
Dithmarschen.»
Die Hansestädte Hamburg und Lübeck vermittelten nach dem gescheiteren Eroberungszug einen Frieden, der am 15. Mai 1500 geschlossen wurde und den Dithmarschern weiter die Selbständigkeit gewährte. Auch wenn sechs Jahrzehnte später die Bauern sich dem neuen Dänenkönig unterwerfen mussten, das Andenken an ihre Heldenjungfrau Telse Kampen blieb über die Jahrhunderte als leuchtendes Freiheitstsfanal erhalten.
Feministinnen, aufgepasst: Hier kommen DEUTSCHE FRAUEN: Seit 2000 Jahren stehen deutsche Frauen als Mütter, Heldinnen, Künstlerinnen, Philosophinnen und Wissenschaftlerinnen ihren Mann. Ohne ihren Löwenmut und ihre Leidensfähigkeit hätte unser Volk nicht überlebt. Aber anders als in Frankreich, wo jedes Kind wenigstens von Jeanne d’Arc weiß, sind diese Vorbilder bei uns oft nur Experten bekannt. COMPACT-Autor Jan von Flocken setzt unserer besseren Hälfte ein Denkmal in 22 großen und 21 kleinen Porträts: in COMPACT-Geschichte „Deutsche Frauen – die klügsten und tapfersten aus 2000 Jahren“.