Österreichs Kanzler zum russischen Gas: Aus moralischer Sicht unangenehm, aber das ist die Realität

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Österreichs Kanzler zum russischen Gas: Aus moralischer Sicht unangenehm, aber das ist die Realität

Bundeskanzler Karl Nehammer im Bundeskanzleramt am 20. April 2023

Österreichs Bundeskanzler unterstützt den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bei den Ermittlungen gegen Wladimir Putin. Gleichzeitig betont er, derzeit keine Alternative zu russischem Gas zu haben.

In einem Interview für die ORF-Reihe "Sommergespräche" argumentierte der österreichische Bundeskanzler am Montag, dass "russisches Gas per se nicht billiger ist als irgendein anderes Gas auf dem Weltmarkt." Die Art und Weise, wie das Pipelinesystem in Europa ausgelegt sei, führe jedoch dazu, dass russischer Kraftstoff seit Jahrzehnten die Energiemärkte in Ost- und Mitteleuropa dominiere. Seit dem vergangenen Jahr versuche Österreich aber, seine Unabhängigkeit vom russischen Gas weiterzuentwickeln. 

Nehammers Ansicht nach könnte Österreich eines Tages möglicherweise auf russisches Gas verzichten, kurzfristig sei dies jedoch unwahrscheinlich. Er wies auch darauf hin, dass Österreichs größter Gasversorger, die OMV, Verträge mit Gazprom bis 2040 habe und diese nicht einfach auf einen Schlag kündigen könne. "Das Gas können Sie nicht einfach irgendwo abfackeln, das wäre kontraproduktiv", erklärte er. Bei einem früheren Ausstieg aus dem Vertrag mit Gazprom müssten die Steuerzahler für den Schaden aufkommen. "Wir arbeiten gerade daran, die Verbindungen nach Deutschland und nach Italien Richtung Triest zu erweitern. Weil wir dadurch in die Lage versetzt werden, andere Gasversorger zu finden", so Nehammer. Es gebe zudem Verbindungen mit Kroatien. 

Im Juli hatte OMV-Chef Alfred Stern gegenüber der Financial Times gesagt, dass das Unternehmen weiterhin russisches Gas kaufen werde, solange dies nach den EU-Vorschriften legal sei. Er warnte davor, dass die Einführung von Beschränkungen für Gasimporte die Preise in die Höhe treiben würde.

Auf die Frage, ob Österreich politisch neutral sei, antwortete der Bundeskanzler, das Land sei klar gegen den Krieg. Sein Land unterstütze den internationalen Strafgerichtshof in den Haag bei den Ermittlungen gegen Wladimir Putin. Bei der Frage, wer Unrecht habe, und wer das Opfer sei, sei die Alpenrepublik "mit Sicherheit nicht" neutral. "Es gibt einen Aggressor, das ist die Russische Föderation, die hat die Ukraine überfallen. Es passieren Menschenrechtsverletzungen, es passieren Angriffe auf zivile Einrichtungen, wo gar keine militärischen Ziele sind", erklärte er.

"Österreich ist militärisch neutral, aber nicht, wenn es darum geht, Haltung zu zeigen."

Dass das Land weiter russisches Gas kauft, begründete Nehammer mit noch fehlenden Quellen und Lieferwegen. Denn es gelte zunächst, die Energieversorgungssicherheit in Österreich sicherzustellen. Dies habe höchste Priorität:

"Das ist nicht angenehm, das ist auch moralisch nicht angenehm, aber es ist real. Es ist meine Verpflichtung als Bundeskanzler, das zu tun."

Umweltministerin Leonore Gewessler hatte im Juni erklärt, dass Österreich rund 60 Prozent des importierten Gases aus Russland bezieht. Im vergangenen Dezember lag der Anteil bei etwa 70 Prozent.