Ein perfides Medienspiel: Ja, in Deutschland darf man "Krieg" sagen, ihn zeigen aber nicht

Autorius: Gert Ewen Ungar Šaltinis: https://deutsch.rt.com/meinung... 2023-05-22 22:35:00, skaitė 646, komentavo 0

Ein perfides Medienspiel: Ja, in Deutschland darf man

Zerstörung in Mariupol. Die Stadt wird inzwischen wiederaufgebaut.

Wenn man die russische Berichterstattung verfolgt, will man, dass der Konflikt endet. Verfolgt man die deutsche, soll einfach die Ukraine siegen. In Deutschland bleibt das Geschehen abstrakt, hier in Russland sieht man jeden Tag unendliches Leid – verursacht von westlichen Waffenlieferungen.

Von Gert Ewen Ungar

Ich will, dass der militärische Konflikt in der Ukraine endet. Was in der Ukraine passiert, ist grausam. Der Umgang des Westens sowohl mit der Ukraine als auch mit Russland ist zynisch und menschenverachtend. Es muss eine Lösung her, ein Waffenstillstand, es braucht Verhandlungen. Ich möchte, dass eine Grundlage geschaffen wird, die Kampfhandlungen zu beenden.

Ich werde für meine Arbeit für RT DE von vielen Deutschen regelmäßig angegriffen. An meinen Händen klebe Blut, werfen mir einige vor. Darauf wird gleich noch zurückzukommen sein. Ich will jedenfalls, dass das Töten in der Ukraine aufhört, denn ich sehe die Bilder aus dem Donbass jeden Tag. Sie werden hier im Fernsehen gezeigt. Bilder aus dem umkämpften Artjmowsk beispielsweise. Die Stadt ist völlig zerstört.

In Lugansk war jetzt einige Zeit relative Ruhe. Großbritannien liefert nun Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow. Darüber wurde das deutsche Publikum informiert. So brachte beispielsweise die Tagesschau darüber einen Audiobeitrag, in dem sie aufklärt, was die Lieferung militärstrategisch bedeutet.

Durch die höhere Reichweite kann die Ukraine Ziele tiefer im Land angreifen und dort Waffendepots des russischen Militärs zerstören, lässt die Tagesschau einen ihren Osteuropaexperten mitteilen. Das klingt logisch und auch irgendwie sauber. Die Ukraine wehrt sich und greift die russischen Nachschubwege an. Das ist die mediale Realität, die die Tagesschau für den deutschen Medienkonsumenten zusammenbastelt.

Das passt dann auch ins medial entworfene Gesamtbild, denn die Ukraine, so lautet die große Erzählung, verteidigt ihre Souveränität, westliche Werte und Demokratie gegen den russischen Aggressor, der das Land grundlos überfallen hat, weil Russland nach imperialer Ausdehnung strebt. Ein großer Teil der deutschen Medienkonsumenten glaubt das.

In Russland glaubt man, der Westen führt in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg gegen Russland. Die Ukraine ist das Opfer westlichen Strebens nach Macht und Einfluss in der Region. Der Westen nimmt für seine Machtinteressen die völlige Zerstörung der Ukraine in Kauf. Das ist der Preis, den die westliche Politik zu zahlen bereit ist.

Was zum von der Tagesschau entworfenen Bild gar nicht passt, ist das, was das russische Fernsehen zeigt. Mit Storm Shadow werden nicht Nachschubwege und Munitionslager, sondern Wohnhäuser in Lugansk angegriffen. Mit den neuen Waffen kann man die Stadt wieder erreichen. Mit den bisher gelieferten Waffen war das nicht möglich. Also geht dank britischer Unterstützung das Sterben in Lugansk wieder los.

Wohnhäuser anzugreifen ist zudem viel einfacher, denn wo Wohnhäuser stehen, ist schnell zu ermitteln, wo sich russische Waffenlager befinden, dagegen nicht. Das setzt umfassende militärische Aufklärung voraus, die allerdings – auch darüber berichtet das russische Fernsehen – von Russland regelmäßig durchkreuzt wird.

Als Faustregel für den deutschen Medienkonsumenten kann daher gelten: Jeden Tag, den die Tagesschau nicht über die Zerstörung eines russischen Waffenlagers durch Storm Shadow berichtet, wurde damit zivile Infrastruktur in Lugansk angegriffen, worüber sich die Tagesschau natürlich ausschweigt, denn es passt nicht ins Bild. Das russische Fernsehen berichtet darüber.

Man sieht hier nicht nur die Bilder von der Zerstörung, die westliche Waffen im Donbass anrichten. Die Opfer der ukrainischen Angriffe kommen auch zu Wort. Man sieht weinende Menschen, die gerade jemanden verloren haben, andere berichten ganz sachlich von den Einschlägen, man sieht Einsatzkräfte vor Ort, Minenräumer beispielsweise, denn die Ukraine schießt Antipersonenminen nach Donezk.

Neulich erzählte eine alte Frau von ukrainischen Soldaten. Die Soldaten der Ukraine seien schlimmer als damals die Deutschen, meinte sie. Das geht mir nahe, ich will daher, dass das aufhört.

In Deutschland dagegen ist der Konflikt ganz abstrakt. Man moniert, dass man in Russland angeblich "Krieg" nicht sagen darf, sondern von einer "militärischen Spezialoperation" sprechen muss. Dabei ist es ganz offensichtlich so, dass man in deutschen Medien zwar Krieg sagen, ihn aber nicht zeigen darf. Man darf zwar darüber sprechen, aber was der Kampf um den Donbass bedeutet, bleibt für den Konsumenten deutscher Medien doch sehr abstrakt. Es sei denn, es geht um angebliche russische Kriegsverbrechen. Dann drücken auch deutsche Medien kräftig auf die Tube.

Den Konsumenten der großen deutschen Medien ist daher auch nicht klar, was mit westlichen Waffen angerichtet wird. Das aber ist absolut grausam. Es sollte daher so schnell wie möglich aufhören. Waffenlieferungen retten eben kein Leben, wie das die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock behauptete, sondern sie töten. Es ist nicht so steril und sauber, wie es der Bericht der Tagesschau suggeriert. Die unterschiedliche Berichterstattung in Russland und Deutschland hat Folgen.

In Deutschland ist es Konsens, dass die Ukraine über Russland siegen muss. Um dieses Ziel zu erreichen, stimmen viele Deutsche zu, sie weiterhin mit immer mehr Waffen und Waffensystemen zu beliefern. Nach der Panzer-Koalition ist jetzt von einer Kampfjet-Koalition die Rede. Die Ukraine braucht nicht nur Panzer, sondern auch Jets, glaubt man.

Ein Ende des Kriegs, bei dem die Ukraine einen Kompromiss eingehen und territoriale sowie politische Zugeständnisse an Russland machen müsste, wollen viele Deutsche nicht, deutsche Politik und Medien auf keinen Fall. Das sei ein Diktatfrieden, heißt es in Deutschland, und sei der Ukraine daher nicht zuzumuten. Russland soll seine Sicherheitsinteressen hintanstellen, die Ukraine muss Deutschland muss alles dafür tun, dass sie siegt.

Das mag vom deutschen Sofa aus betrachtet logisch und vor allem moralisch gerecht erscheinen. Mit dem, was in der Ukraine passiert, hat es indes nur wenig zu tun. Vom deutschen Sofa aus ist es ganz einfach: Russland muss seine Truppen zurückziehen, und dann ist Frieden.

Dass das nicht geht, ist jedem klar, der die russischen Dokumente zur Kenntnis nimmt. Die Ukraine würde bei einem Rückzug Russlands ein Gemetzel unter den Bewohnern des Donbass anrichten. Gleiches gilt für die Krim. Es ist völlig undenkbar, dass Russland die Menschen dort allesamt im Stich lässt, zumal der Westen entgegen allen Bekenntnissen zu Werten, zum Völker- und Menschenrecht seit 2014 deutlich gemacht hat, dass ihm das Schicksal der Menschen im Donbass völlig schnuppe ist.

Undenkbar ist auch, dass Russland plötzlich darauf verzichtet, seine Sicherheitsinteressen durchzusetzen, und eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine akzeptiert. Wenn man in Deutschland an diesen Bedingungen festhält, wird dieser Krieg noch eine Weile dauern. Nicht ewig, denn es gibt auch hier eine natürliche Grenze. Das ist die verfügbare Anzahl der ukrainischen Soldaten.

Worüber der deutsche Zuschauer auch nichts erfährt, sind die Verluste. Es sind jeden Tag Hunderte ukrainische Soldaten, die den Wunsch der Deutschen nach einem militärischen Sieg der Ukraine über Russland mit ihrem Leben bezahlen. Die Verluste Russlands erfährt man nicht in der Zahl, aber man erfährt, dass es sie auch auf russischer Seite gibt. Soldaten werden posthum geehrt, Offizielle besuchen die Angehörigen Gefallener. Es gibt zudem Dokumentationen über Rehabilitationszentren, in denen ehemalige Soldaten an den Umgang mit Prothesen gewöhnt werden, staatliche Unterstützung für Invaliden und Programme zur Integration von Kriegsversehrten. Es ist schrecklich. Von all dem erfährt man in Deutschland nur in kleinen Dosen – wenn überhaupt. Es bleibt abstrakt.

All dieses Elend bewirken Waffenlieferungen. Ich möchte daher, dass es aufhört, und halte die deutsche Position einer immer weitergehenden Unterstützung der Ukraine für zynisch. Diese Strategie klingt nur vom Sofa aus toll und schlüssig.

Man sollte in Deutschland auch das Danach nicht aus den Augen verlieren. Wenn sich der Rauch über dem Schlachtfeld gelichtet hat, sind die Aussichten dafür, dass die Ukraine den Deutschen für ihre militärische Unterstützung dankbar sein wird, sehr gering.

Diejenigen, die sich für Waffenlieferungen und damit für einen immer längeren Krieg aussprechen, verheizen die Ukraine und nehmen in Kauf, dass für ihren Wunsch eines Sieges über Russland eine ganze Generation ukrainischer Männer ausgelöscht wird. Die Ukraine wird zerstört und – sollte tatsächlich umfassend Uranmunition eingesetzt werden – auf Jahrzehnte verseucht. Die Dankbarkeit gegenüber Deutschland wird sich daher sehr in Grenzen halten. Es ist im Gegenteil zu erwarten, dass aus der Ukraine gegen die deutsche Politik in absehbarer Zukunft schwerste Vorwürfe erhoben werden.

Diejenigen aber, die die Politik der Waffenlieferungen unter Ausklammerung von Verhandlungen und Diplomatie befürworten, haben Blut an den Händen, auch wenn dieses Blut im deutschen Fernsehen nicht gezeigt wird. Sie haben Blut an den Händen, und zwar ganz deutlich mehr, als man mir als Redakteur bei RT DE unterstellt.