Autorius: Oleg Chawitsch Šaltinis: https://deutsch.rt.com/meinung... 2022-10-22 17:16:00, skaitė 837, komentavo 0
Propagandaplakat gegen Nordstream in Warschau (24.03.22)
Von Oleg Chawitsch
Unverblümt erfreute sich Polen anfangs an der Nachricht, dass drei der vier Stränge der Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 zerstört waren. Vor allem, weil es am Vorabend der Eröffnung der viel beworbenen Baltic-Pipe-Pipeline geschah, die zwischen Norwegen und Polen durch Dänemark und die Ostsee verläuft. In Anbetracht der antirussischen Haltung Polens, die das Niveau des ukrainischen Sprichworts "Wenn doch nur die Kuh des Nachbarn sterben würde" längst überschritten hat, war die Zerstörung von Nord Stream (NSP) zusätzlich eine Ablenkung der Polen von der Tatsache, dass die Baltic Pipe am Ende halb leer sein könnte, wenn nicht sogar schlimmer.
Die Sache ist die, dass bei einer nominellen Kapazität von 10 Milliarden Kubikmetern pro Jahr, die PGNiG, der Betreiber des polnischen GTS, einen Vertrag mit dem norwegischen Gasproduzenten Equinor Group von lediglich 2,4 Milliarden Kubikmetern besitzt. Die Polen erklärten, sie würden hoffen, die Lieferungen von norwegischem Gas zu erhöhen. Doch die Baltic Pipe ist nur ein Zweig der Europipe-II-Gaspipeline, die von Norwegen nach Deutschland unter der Nordsee verläuft. Also sind zusätzliche Volumen an Erdgas für Polen nur mit deutschem guten Willen erlaubt. Und das ist unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass Warschau eine Reparationsforderung an Berlin in Höhe von 1,3 Billionen Dollar aus dem Zweiten Weltkrieg stellt.
Gleichzeitig reagierten die Regierung und die Opposition in Polen unterschiedlich auf die Sprengung des NSP-Systems. So veröffentlichte Radosław Sikorski, Mitglied des Europäischen Parlaments und ehemaliger Außenminister Polens, der die oppositionelle Bürgerplattform vertritt, auf Twitter ein Foto eines Abschnitts der Ostsee, in dem Gas aus der zerstörten Pipeline aufsteigt, und versah es mit der Überschrift: "Danke, USA!" Daraufhin bat die Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa um eine Klarstellung, ob diese Äußerungen von Sikorski (der übrigens Vorsitzender der EU-US-Gruppe im Europäischen Parlament ist) als offizielle Stellungnahme zu dem Terroranschlag gilt.
Obwohl die Parteifreunde von Sikorski und die Vertreter der polnischen Behörden den Beitrag später als albern bezeichneten und der Politiker ihn löschte, sind auf seinem Twitter-Konto weitere Äußerungen zu Nord Stream zu finden. "Kleinigkeit, aber angenehm", schrieb Sikorski in einem seiner Tweets über NSP. Seiner Einschätzung nach schränkt der NSP-Ausfall "den Handlungsspielraum" des russischen Präsidenten Wladimir Putin ein. "Wenn er die Gaslieferungen nach Europa wieder aufnehmen will, muss er mit den Ländern sprechen, in denen die Brotherhood und die Jamal Pipelines verlaufen", schrieb der ehemalige polnische Außenminister und fügte hinzu, dass diese Länder die Ukraine und Polen seien. "Gute Arbeit!", fügte Sikorski hinzu.
Darüber hinaus zeigte sich der Abgeordnete erleichtert, dass "die Nord-Stream-Pipelines, die seit 20 Jahren von allen polnischen Regierungen bekämpft wurden, zu drei Viertel lahmgelegt wurden". Seiner Meinung nach "ist das gut für Polen". Der polnische Politiker bemerkte dabei, dass er "seine Hypothesen über das Motiv und die Voraussetzungen für diese Tat natürlich nur in seinem eigenen Namen" veröffentliche – was ihn jedoch nicht davor bewahrte, von den regierungsnahen polnischen Medien beschuldigt zu werden, "für Moskau zu arbeiten".
Unterdessen verzichtete der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki darauf, die offensichtlichen Vorteile zu erwähnen, die eine Sprengung von Nord Stream für sein Land habe. Außerdem beschuldigte er Russland, hinter der Sabotage von NSP zu stecken. "Wahrscheinlich war es ein Sabotageakt. Wahrscheinlich war es ein Signal aus Russland", sagte Morawiecki im polnischen Fernsehen. Allerdings, betonte er, warte Polen angeblich auf die Bestätigung dieser Annahme. "Das macht uns große Sorgen. Das zeigt, zu welchen Mitteln und Mechanismen die Russen greifen können, um Europa weiter zu destabilisieren", sagte Morawiecki.
Allerdings kam von der anderen Seite des Ozeans die Wahrheit ans Licht – für Warschau völlig unerwartet. Am 4. Oktober bezeichnete der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sachs die USA und Polen als Beteiligte an der Sabotage der Nord-Stream-Pipeline. Die Explosionen an den Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 seien wahrscheinlich von den USA und Polen durchgeführt worden, um die europäische Wirtschaft endgültig auszuschalten, sagte Sachs der Agentur Bloomberg.
Seinen Worten zufolge gibt es Informationen über US-Militärhubschrauber, die im polnischen Danzig stationiert sind und die über dem Gebiet kreisten, in dem sich die Explosionen ereigneten. Sachs erinnerte auch an die Drohungen der USA, Nord Stream "auf die eine oder andere Weise" zu beenden. Der Wirtschaftswissenschaftler betonte, dass solche Dinge im Westen nicht offen ausgesprochen werden dürfen, obwohl seine Gesprächspartner in der ganzen Welt von der Verantwortung der USA für die Geschehnisse überzeugt seien. "Selbst Reporter unserer Zeitungen, die sich mit dem Thema befassen, haben mir gegenüber privat zugegeben: Ja, natürlich ist das so, aber unsere Medien schweigen darüber", resümierte der amerikanische Experte.
Diese Stellungnahme war ein sehr beunruhigender Weckruf für die polnischen Behörden. Selbstverständlich spielten die polnischen Spezialeinheiten bei der Sabotage von Nord Stream durch die Amerikaner eher eine unterstützende Rolle. Und selbst wenn es die Polen waren, die z. B. Sprengsätze unter den Pipelines platzierten, so geschah dies auf Befehl und unter Aufsicht des "großen Bruders" von der anderen Seite des Ozeans.
Immerhin sind die Vereinigten Staaten der Hauptnutznießer der Tatsache, dass die russischen Gaslieferungen nach Europa stark zurückgegangen sind. Erstens kann den Europäern nun das teurere amerikanische Flüssigerdgas verkauft werden. Zweitens trifft der Hauptschlag nicht einmal Russland, sondern Deutschland, den Hauptkonkurrenten der USA im Westen. Doch in Washington ist die Schuldzuweisung gegenüber seinem Verbündeten durchaus denkbar, wie im Fall mit der Ukraine, als Darja Dugina bei einem Terroranschlag in Moskau getötet wurde.
Am 5. Oktober berichtete die New York Times, die US-Geheimdienste würden von der ausschließlichen Beteiligung der ukrainischen Behörden an der Ermordung von Darja Dugina ausgehen. Als stellten die Vereinigten Staaten der Ukraine keine nachrichtendienstlichen Informationen oder sonstige Unterstützung zur Verfügung und als hätte Kiew keine Absprachen mit Washington in dieser Angelegenheit getroffen.
Der US-Beitrag enthält jedoch einen wichtigen Aspekt: Die Journalisten behaupten, dass Darjas Vater, der russische Philosoph Alexander Dugin, das Ziel des Angriffs gewesen sei. Gerade in den Vereinigten Staaten gilt Dugin als der wichtigste Ideologe der Politik von Wladimir Putin, während frühere Terroranschläge der Kiewer Behörden stets auf Angehörige des Militärs oder der Zivilverwaltung und nicht auf Geisteswissenschaftler gerichtet waren.
Die US-Geheimdienste haben die gesamte Verantwortung für den aufsehenerregenden Terroranschlag auf russischem Territorium auf ihre Auftragnehmer in Kiew abgewälzt. Das ist nicht der Kernpunkt, wichtig ist, ob man in Washington die Politik von Kiew korrigieren will, die in den letzten Tagen völlig inadäquat geworden ist (man denke nur an Selenskijs Forderung nach "präventiven" Atomangriffen auf Russland), oder ob man einfach unzufrieden ist, weil das gewünschte Ziel der Amerikaner nicht getroffen wurde. Hauptsache ist, dass keiner der Vollstrecker der amerikanischen Befehle mehr sicher sein kann, dass nicht gerade er zum einzigen Schuldigen an den Ereignissen bestimmt wird.
Eine andere Sache ist, dass man in Polen im Falle eines Terroranschlags auf Nord Stream keine Angst vor solchen Handlungen der USA hat, sondern sie umgekehrt mit Ehrfurcht erwartet – als eine Form der Anerkennung ihrer "Großartigkeit". Im dem Sinne, dass es keinen anderen Hegemon gibt als Washington, und Warschau sei sein treuester Diener in Kontinentaleuropa. Die polnischen Behörden sollten allerdings bedenken, dass im Jahr 1941 viele Europäer in ähnlicher Weise dem nationalsozialistischen Deutschland unterworfen waren, was für sie vier Jahre später tragisch endete. Und heutzutage vergeht die Zeit schneller ...
Übersetzt aus dem Russischen
Oleg Chawitsch ist gebürtiger Westukrainer und Experte für die ukrainische Politik. Seit 2014 publiziert er hauptsächlich auf der Plattform ukraina.ru und in russischen Medien.