Autorius: Beata Arnold Šaltinis: https://de.sputniknews.com/kul... 2020-11-05 14:24:00, skaitė 714, komentavo 0
Die Verkäufe von Kunstgalerien werden mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt, sie gelten im Gegensatz zu Museen als Einzelhandelsgeschäfte – dem Fiskus ist`s einerlei, ob da nun Gulaschsuppe oder eine Gouache im Einkaufskörbchen liegt. Diese Tatsache nutzen die Galerien und halten ihre Ausstellungen auch in diesem Monat offen.
„#weareopen, da wir die Schließung von Museen und Kulturinstitutionen als Teil der erneuten Sperrung unverhältnismäßig finden. Ihre Einstufung als „Freizeitbeschäftigung“ ignoriert völlig ihre Bedeutung als kulturelle Institutionen (...) In dieser beispiellosen Situation, die für viele eine Belastung darstellt, könnten insbesondere Museen und Kulturinstitutionen als Orte der Inspiration und Orientierung dienen“, schreibt die „König Galerie“ in den sozialen Medien.
Die von Johann König betriebene Galerie in einer ausrangierten Berliner Kirche ist längst ein „Global Player“, vertritt 30 zum Teil bereits bedeutende zeitgenössische Künstler – von Erwin Wurm über Katharina Grosse bis hin zu Chiharu Shiota.
Genau wie Museen habe seine Galerie bereits vor Monaten ein umfassendes Hygienekonzept entwickelt. In den Ausstellungsräumen in St. Agnes könnten die Abstandsregeln und die Vorschrift von einer Person pro zehn Quadratmeter Ausstellungsfläche eingehalten werden. Das gilt im Übrigen für das Gros seiner Galeristenkollegen.
Das können sich Kunsthungrige und andere ihrer üblichen Freizeitgestaltung im kulturellen Bereich Beraubte in diesem frugalen Monat mit einer Stippvisite zunutze machen. Schließlich haben Galerien eine Kunst vermittelnde Funktion, aber auch die Bedeutung von Bildung, und sei es nur der des Geschmacks, sollte nicht unterschätzt werden.
Galeristen entdecken Talente, widmen sich der Künstler-Betreuung und organisieren Verkaufsausstellungen mit meist flankierenden Publikationen mit eigenem Sammlerappeal: Vernissagen, Finissagen und Messen, wo ihre Künstler vorgestellt werden, deren Werke später in großen Museen und Sammlungen hängen. Da gibt es einerseits den sogenannten „Primary Market“, wo frische zeitgenössische Kunst feilgeboten wird, zu entdecken. Und andererseits die Kunst vom „Secondary Market“, dem Wiederverkaufsmarkt für ältere Werke mit Bildern von Salvador Dalí, Pablo Picasso oder Henri Matisse wie auch vorangegangener Epochen.
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„Wir verstehen uns als Kunstvermittler und zeigen Kunst daher gerne weiterhin der Öffentlichkeit“, heißt es so auch von Seiten der König Galerie. Zu sehen gibt es aktuell großformatige Arbeiten auf Leinwand und Sperrholz von Katharina Grosse, die in Berlin und Neuseeland entstanden sind. Aufgrund der Schließung des „Hamburger Bahnhofs – Museum für Gegenwartskunst“ ist die dortige Schau von Katharina Grosse derzeit nicht zugänglich. Bei „König“ können ihre Arbeiten weiterhin, auch als thematische Fortsetzung der Ausstellung im Museum, gezeigt werden. Zudem will die Galerie auch ihren Verkaufsraum für die Öffentlichkeit zugänglich machen, um noch mehr Kunst zeigen zu können, insgesamt 75 Werke. Dort sind unter anderem Bilder von Karl Horst Hödicke installiert, dessen Ausstellung, die erst Anfang Oktober im „Palais Populaire“ am Boulevard Unter den Linden eröffnet wurde, nun geschlossen bleiben muss.
Auch die Leipziger Galerie „Eigen+Art“ hat im November geöffnet – sie zeigt 16 neue, 2020 während der Pandemie entstandene Gemälde von Neo Rauch in der Schau „Handlauf“: Mythisch anmutende Traumwelten, aus der Zeit gefallene und scheinbar der deutschen Romantik wie des Biedermeier entsprungene Figuren bevölkern vertraute Landschaften der Region in Kleinstädterei mit grünen Hügeln und Fabrikschloten.
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Neo Rauch ist Vertreter der „Neuen Leipziger Schule“ – ein Begriff, der wohl auf seinen Galeristen Gerd Harry „Judy“ Lybke zurückgeht und marketingtauglich in Anlehnung an die Großen der „Leipziger Schule“ des untergegangenen Arbeiter- und Bauernstaates etabliert wurde. Die Werke von Neo Rauch werden zu Millionenpreisen gehandelt, renommierte Museen weltweit widmen ihm Einzelausstellungen, wie jüngst die Uffizien in Florenz. Die Kunst des Ostdeutschen hängt im MoMa in New York. Im April sollte es eine große Retrospektive anlässlich seines 60. Geburtstages geben: abgeblasen wegen Corona, vielleicht aber auch, weil so eine Huldigung des Schaffens wie ein Endpunkt wirken könnte, dem sich ein Meister versagen mag.
Deutschlandweit warten rund 700 Galerien mit einem Querschnitt der Kunstszene auf: Von der Neuentdeckung bis zu angestammtem Kunst-Granden. Die Programmgalerien repräsentieren über 14.000 Künstler und zeigen diese jährlich in mehr als 5000 Ausstellungen – und das bei freiem Eintritt. Der Besuch der Ausstellungen in Galerien ist gratis, und üblicherweise sind sie auch nicht „übervölkert“. In noch vorpandemischen Zeiten galt es beim Bildungsbürgertum und Hipstern zwar als chic zu Vernissagen wie Finissagen als Event zu gehen, aber gemeinhin bieten Galerien gar Raum für intime Zwiegespräche mit der Kunst, sind weniger „Haute volée“, sondern eher schlicht klischeebehaftet.
Die Corona-Zeit hat auch die Galerieszene empfindlich getroffen, Galeristen konnten Corona-Hilfen beantragen, etwa im Rahmen des Programms „Neustart Kultur“. In der Vergangenheit hat es eine systematische Galerienförderung staatlicherseits nicht gegeben, weil sie weniger als kulturelle denn als wirtschaftliche Unternehmen wahrgenommen werden. Dabei hätten sie eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung, die über die eigenen wirtschaftlichen Interessen hinausgehe, stellte Kulturstaatsministerin Grütters zu der Förderung klar, der eine Verfünffachung des Ankaufetats der Bundeskunstsammlung voranging. Man wolle ein Zeichen setzen für die „Scouts und ihre Talente“.
Die Krise hat aber auch den Erfindungsreichtum der Galeristen in der Präsentation ihrer „Ware“ befeuert, schließlich sind weltweit von der Art Basel bis zur Kunstmesse in Köln alle bedeutenden Messen in diesem Jahr abgesagt oder auf vermeintlich bessere Zeiten verschoben worden. Die üblichen Eröffnungsschauen in ihren Räumlichkeiten laufen als „Soft Opening“ mit Zeitfenster und limitierter Besucherzahl oder ganz in digitaler Präsentation ab. Die „König Galerie“ hat gar eine eigene Kunstmesse mit Werken unterschiedlichster Couleur in ihren Räumlichkeiten auf die Beine gestellt: Schon zweimal lief „Messe in St. Agnes“ mit großem Zuspruch beim Publikum.
Der beliebte sonntägliche Museumsbesuch kann im November jedenfalls kurzerhand in die lokale kommerzielle Galerie verlagert werden: Jetzt ist Zeit, sie zu entdecken. Mit Kauf-Option.