Rufmordkampagne in Brandenburg: Wie aus Stadtplanerin Iris R. eine „Reichsbürgerin“ gemacht werden soll

Autorius: Lars Poelz Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2020-09-22 22:04:00, skaitė 835, komentavo 0

Rufmordkampagne in Brandenburg: Wie aus Stadtplanerin Iris R. eine „Reichsbürgerin“ gemacht werden soll

In Brieselang im Havelland findet ein mediales Kesseltreiben gegen Behördenmitarbeiterin Iris R. statt. Der Vorwurf: Sie soll der sogenannten Reichsbürgerszene angehören. COMPACT ist der Sache auf den Grund gegangen.

Der Berliner Tagesspiegel ist sich sicher: „Brieselang wird künftig von einer Reichsbürgerin gestaltet.“ Seit Mai amtiert dort Iris R. als Bauleitplanerin. Die Gemeindevertreter aller Fraktionen hatten sich zuvor dafür ausgesprochen, dass sie die Stelle im öffentlichen Dienst des Landes Brandenburg bekommt. Doch nun wird plötzlich an ihrer Verfassungstreue gezweifelt. Es soll Hinweise darauf geben, dass sie eine sogenannte Reichsbürgerin sei, die die Legitimität der Bundesrepublik und des Grundgesetzes anzweifle. Doch stimmt das wirklich? COMPACT hat Iris R. einen Besuch abgestattet.

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Büro der Adele Mark-Brandenburg-Stiftung in Rathenow. | Foto: COMPACT/Lars Poelz

Wir treffen uns mit Iris R. in ihrem Büro – nicht in ihrem Stadtplaner-Büro wohlgemerkt, sondern in einer Räumlichkeit, die unter anderem Sitz der Sinn-Bewegung Rathenow und der Adele Mark-Brandenburg-Stiftung ist, die sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Mario S. gegründet hat. Wir werden freundlich empfangen und kommen bei einem Glas Wasser und reichlich Gummibärchen ins Gespräch. Iris R. sagt uns, dass hinter beiden Organisationen die Intention steht, die Wahrung der Verfassung anzumahnen. „Wir sind die Hüter des Grundgesetzes, weil gerade im Havelland so häufig von Behörden dagegen verstoßen wird“, erklärt sie.

Antifa-Bericht als Beleg

An den Wänden hängen Bilder von Persönlichkeiten aus der deutschen Geschichte, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Man sieht Karl Marx und Bertolt Brecht neben Bismarck, Friedrich dem Großen und den Geschwistern Scholl. Soll so der Wandschmuck einer ausgewiesenen Rechtsextremistin aussehen?

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Iris R. und Bertolt Brecht. | Foto: COMPACT/Lars Poelz

Eine solche Gesinnung unterstellt der Behördenmitarbeiterin jedenfalls ein Internet-Artikel des linksextremen Presseservice Rathenow um den Antifa-Aktivisten Hardy Krüger vom 2. März 2019. Dieser über ein Jahr alte Text, der die Geschichte eines angeblichen „Reichsbürgermeisterbüros“ in Rathenow in die Welt gesetzt und vollkommen erfundene Bezüge hergestellt hat, wird von Medien wie der Märkischen Allgemeinen, der Märkischen Oderzeitung oder dem Tagesspiegel als seriöse Quelle eingestuft. Und offenbar auch von der Gemeinde Brieselang. Iris R. und Mario S. sind juristisch gegen die Behauptungen Krügers vorgegangen, da diese ihrer Ansicht nach den Straftatbestand der Verleumdung erfüllten. Das sah die Staatsanwaltschaft Potsdam anders: Es handle sich „um eine Privatsache“. Ein Irrtum, wie sich nun zeigt.

Da auf der Internetpräsenz der Adele von Preußen – ein Plüschtier, von dem später noch die Rede sein wird – auch ein Video von „3 Cent Briefen“ zu sehen ist, schien der Fall für Krügers Presseservice klar zu sein: Iris R. muss eine Reichsbürgerin sein. (Nicht selten werden der sogenannte Weltpostvertrag und dessen Gebühren von Reichsbürger-Gruppen als Argument für die fehlende Staatlichkeit herangezogen. Doch ob ein solches Video schon ausreicht, jemanden persönlich dieser Szene zuzuordnen, ist mehr als fraglich.)

Des Weiteren wird Iris R. in dem Antifa-Beitrag vorgeworfen, sie hätte sich im Bürgerbündnis Havelland e.V. mit rechtsextremen Personen umgeben. Hintergrund ist, dass sie und ihr Lebensgefährte sich als Parteilose auf einer gemeinsamen Wahlliste mit dem Bürgerbündnis zur Kommunalwahl 2019 aufstellen ließen. Dem Bündnis selbst haben sie nach eigenen Bekundungen jedoch nie angehört. Sie und Mario S. hätten vielmehr selbst dazu beigetragen, dass sich das Bürgerbündnis nach der Wahlschlappe im vergangenen Jahr aufgelöst habe, sagt uns Iris R. „Das Treffen, das der Linksextremist Krüger in seinem Artikel dokumentiert, war lediglich eine Zusammenkunft bezüglich der bevorstehenden brandenburgischen Kommunalwahl“, erklärt sie uns. Das sei ein demokratischer Vorgang. Sie sei weder vor der Wahl noch danach irgendwie politisch tätig gewesen. „Wir haben das mal ausprobiert, das ist ja auch mal eine Erfahrung“, so Iris R.

Brandenburger VS: Nicht verfassungsfeindlich

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Der Plüsch-Adler Adele. | Foto: COMPACT/Lars Poelz

Besonders absurd: Auch der von Iris R. entworfene Plüsch-Adler Adele von Preußen muss als angeblicher Beleg für ihre Reichsbürger-Gesinnung herhalten! Dazu erzählt sie uns folgende Geschichte: Als sie seinerzeit aus Berlin nach Rathenow zog, habe sie sich gefragt, warum es das Brandenburger Wappentier – und das ist der rote Adler – eigentlich nicht als Souvenir gebe. „In Berlin ist es ja üblich, den Bären als Plüschtier in jedem Souvenirladen zu verkaufen“, sagt sie uns. Also machte sie sich ans Werk und kreierte sie den roten Stoffadler Adele von Preußen, den sie auch dem örtlichen Tourismusbüro anbot und mit diesem einen Kommissionsvertrag schloss. Das putzige Plüschtier hatte dann auch eine eigene Internetseite bekommen.

Kurze Zeit später wurde das Brandenburger Landesamt für Verfassungsschutz auf die Seite aufmerksam (gemacht) und durchleuchtete sie genau. Die Behörde sei zu dem Schluss gekommen, dass die Inhalte keinesfalls verfassungsfeindlich seien, sagt Iris R. Sie spricht von einem bestandenen „Verfassungscheck“. Dennoch habe ein Besuch der Schlapphüte beim Tourismusbüro den Kommissionsvertrag zunichtegemacht, beklagt sie. Rücksprache habe man vorher nicht mit ihr gehalten.

Bekenntnis zum Grundgesetz

„Also sind Sie keine Reichsbürgerin?“, fragen wir noch einmal nach. Iris R. lacht und schüttelt den Kopf. Nein, das sei sie nicht. Während sie dies sagt, legt sie ihren Personalausweis auf den Tisch. Den wolle sie auch nicht abgeben, bekräftigt die Stadtplanerin. In der Reichsbürgerszene ist es üblich, Personalausweise abzulehnen beziehungsweise sie abzugeben und eigene Ausweisdokumente auszustellen. Sie bekenne sich ganz klar zum Grundgesetz. Dabei zeigt sie auf den Tisch, wo eine Ausgabe des Verfassungstextes mit Bundesadler und schwarz-rot-goldenem Streifen liegt.

Dann weist sie auf die Wand. „Wie Sie sehen, zeigt auch unsere Deutschlandkarte die aktuellen Grenzen zeigt.“ Reichsbürgern wird oft nachgesagt, dass sie eine Revision der Grenzziehung anstrebten. Ihr Lebensgefährte Mario S., der sich inzwischen dazugesellt hat, wirft ein, dass er auch gar nicht in anderen Grenzen leben wolle. Iris R. weist außerdem auf das Schaufenster hin, wo die Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen ausgehängt sind. Wie könne sie ein schlechter Mensch sein, „wenn das die Werte sind, die ich vertrete“, fragt sie.

Bei ihrer Tätigkeit in der Bauverwaltung habe sie sich immer an Recht und Gesetz gehalten und die Vorgaben der Brandenburgischen Bauordnung und des Baugesetzbuches lupenrein angewendet, bekräftigt Iris R. Daher seien „Unterstellungen der Presse, ich könnte oder hätte irgendwelche Gruppen begünstigt, völlig aus der Luft gegriffen und haltlos.“ Eine solche Forderung eines Antragstellers würde sie immer ablehnen.

Bürgermeister Ralf Heimann (Bürger für Brieselang) war mit ihrer Arbeit jedenfalls bisher mehr als zufrieden. Das sagt nicht nur Iris R., auch die die Märkische Allgemeine zitierte einen inzwischen gelöschten entfernten Facebook-Beitrag, in dem es heißt: „Im Rathaus gehört die Mitarbeiterin zu den besten Beschäftigten. Sie ist politisch nicht tätig und äußert sich auch nicht. Keine Auffälligkeiten.“

Abstimmung über Entlassung

Tatsächlich erscheint Iris R. auch uns nicht als Extremistin, sondern vielmehr als engagierte Demokratin, die lediglich kritische Fragen stellt, wenn Behördenwillkür das geltende Recht mit Füßen tritt. Entsprechend unbequem zu sein, reicht in Brandenburg offenbar schon aus, um als angeblicher Reichsbürger stigmatisiert zu werden. Die Gemeinde Brieselang will die Bauleitplanerin, die sich noch in der Probezeit befindet, nun offenbar loswerden. Im Gemeinderat soll demnächst über ihre Entlassung abgestimmt werden. Bei dem medialen Klima, das gegen Iris R. erzeugt wurde, kann man sich denken, wie die Abstimmung ausgehen wird.