Autorius: COMPACT-Magazin Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2020-07-07 16:10:00, skaitė 663, komentavo 0
Welche Folgen wird die Corona-Krise auf unsere Wirtschaft und Gesellschaft haben? Darüber haben sich die Macher dieser Zeitschrift, COMPACT-Chefredakteur Jürgen Elsässer, die Redakteure Martin Müller-Mertens und Daniell Pföhringer sowie unser Wirtschaftsexperte Sven Reuth, unterhalten.
Es folgt ein Auszug aus dem Gesprächsprotokoll, das Sie vollständig im aktuellen COMPACT-Spezial 26: „Welt. Wirtschaft. Krisen – Vom Schwarzen Freitag 1929 zum Corona-Crash 2020“ lesen können. Hier bestellen:
_Diskussion in der COMPACT-Redaktion
Elsässer: Historische Analogien sind ja immer sehr beliebt. Ich biete zwei für den gegenwärtigen Mega-Crash an: A) Die Pest fiel mit dem Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus zusammen. Kommt mit Corona jetzt der Übergang zum globalen Sozialismus? B) Die Weltwirtschaftskrise 1929 führte zu einer Modernisierung und Konsolidierung des Kapitalismus, allerdings mit dem Umweg über einen furchtbaren Weltkrieg. Hebt nun Corona als Kriegsersatz den Kapitalismus auf eine neue Stufe?
Müller-Mertens: Die Modernisierung war ja schon vor Corona längst im Gange. Zum einen durch die Abkehr von den alten, auf Rohstoffen und Fabrikarbeit basierenden Industrien. Zum anderen durch eine zunehmende Überflüssigkeit der menschlichen Arbeitskraft. Aus Sicht des Kapitalisten hat sich der Mensch in dieser Krise als eigentlicher Störfaktor erwiesen. Er kann krank werden, kann durch gesundheitspolitische Maßnahmen der Verwertung durch Lohnarbeit entzogen werden. Dies wird zweifellos die Entwicklung automatisierter Abläufe,
Künstlicher Intelligenz und Ähnliches vorantreiben. Allerdings stellt sich doch die Frage: Gibt es den Mega-Crash überhaupt? Oder hat sich die Wirtschaft nicht einfach dank Kurzarbeitergeld für zwei, drei Monate die Lohnkosten gespart und in der Zeit ihre Überkapazitäten abgebaut? Das gilt ja nicht nur für die Industrie. In der Luftfahrt gab es derartige Überkapazitäten, dass in den vergangenen Jahren beinahe wöchentlich eine europäische Fluggesellschaft aufgeben musste, auch ohne Virus. Und nun nutzt die Lufthansa die Gelegenheit des Lockdowns, um einen Konzernumbau durchzupeitschen, der seit geraumer Zeit mehr oder weniger genauso geplant war.
Elsässer: Für einige Großkonzerne mag das stimmen. Trotzdem ist es ein Mega-Crash, denn er haut ja in Deutschland auch den Mittelstand weg, etwa Hotels, Gaststätten und Einzelhändler.
Müller-Mertens: Aber genau über die Großkonzerne müssen wir reden. Das Wegbrechen der Kneipiers und Einzelhändler ist eine menschliche und gesellschaftliche Tragödie, aber das Establishment wird schulterzuckend danebenstehen und darauf setzen, dass, so lange es einen Bedarf gibt, dann eben andere Anbieter nachfolgen, im Zweifel internationale Ketten. Bei den Großen sieht es anders aus.
Dort wird über Verstaatlichung oder Bürgschaften gesprochen. Das ist aber kein Sozialismus, denn sonst wäre Volkswagen von jeher ein «Volkseigener Betrieb». Der Kapitalismus in Europa hat sich meist durch Staatsinterventionismus saniert.
Pföhringer: Nein, der Kapitalismus wird durch Staatsinterventionismus ruiniert. Was im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929 einen Aufschwung erfahren hat, war der Korporatismus, ein bastardisierter Kapitalismus, die Mesalliance von Big Government und Big Business. Roosevelts New Deal und Hitlers Arbeitsbeschaffungsprogramme waren Zwillinge.
Existenzielle Krise: GastronomenProtest gegen die Corona-Beschränkungen in der Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt). Foto: PaulKlemm / COMPACT
So ein Aufschwung auf Pump klappt auch kurzfristig, nur auf lange Sicht eben nicht. Wenn man unter Kapitalismus ein wirklich marktwirtschaftliches System versteht, in dem der Staat nicht als ökonomischer Akteur, sondern bestenfalls als Schiedsrichter agiert, dann gibt es den in Deutschland gar nicht. Mit einer Staatsquote von über 45 Prozent, wo der normale Arbeitnehmer bis Mitte Juli für den Staat und erst dann in die eigene Tasche arbeitet, kann davon keine Rede sein. Corona wird die Marktwirtschaft weiter erodieren und die Unfreiheit wachsen lassen – und zwar weltweit. Wir sind auf dem Weg in ein globales China.
Reuth: Momentan kann man die Situation der Wirtschaft mit der eines schwer verletzten Unfallopfers vergleichen, das erst einmal mit stärksten Medikamenten narkotisiert wurde. Ob es Schäden erlitten hat, und wenn ja, wird man erst später sehen. Die Notenbanken haben jetzt schon viel mehr Liquidität bereitgestellt als nach der Lehman-Pleite im Herbst 2008 und damit die Situation erst mal beruhigt.
Am Ölmarkt sieht man hingegen, was mit einem Markt passiert, der nicht von den Notenbanken gestützt wird. Da sehe ich dann tatsächlich den Abschied von einer Epoche, die vor 160 Jahren begann, als John D. Rockefeller sein Imperium aufbaute, und die nun endet. Die Corona-Pandemie ist aber nur der Beschleuniger einer Entwicklung, die schon lange vorher eingesetzt hat. Eine weitere Zäsur sehe ich im Auseinanderbrechen des Euroraumes, den wir bald erleben werden.
Die Verschuldung der südeuropäischen Staaten dürfte in astronomische Höhen steigen und den Euro endgültig zur Lira 2.0 werden lassen. Die Flucht in Immobilien und Edelmetalle dürfte anhalten, und ich prognostiziere auch, dass Zahlungsmittel wie die dänische Krone oder das britische Pfund zu Fluchtwährungen werden.
Elsässer: Trotzdem bleibt die Frage, welches Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell sich in der aktuellen Krise herausbildet. Meine These: Der Kapitalismus wird abgeschafft. Aber nicht zugunsten eines Sozialismus, denn der bedeutet ja staatliche Planwirtschaft ohne Privateigentum an Produktionsmitteln. Stattdessen kommt die Wiederkehr einer Sklavenhaltergesellschaft, die vom Staat kommandiert wird, aber ohne Enteignung der großen Privatvermögen.
Das ist die einzige Lösung für die Superreichen, denn die beiden Wege, den Kapitalismus zu retten, sind gescheitert: Die Arbeitskraft zu verbilligen, wie es die Monetaristen vorschlugen, führte zu unverkäuflicher Überproduktion. Geld in die Märkte zu pumpen, um Nachfrage für die Überproduktion zu schaffen – das Rezept der Keynesianer – führte zu hoffnungsloser Überschuldung. Anstelle des marktbasierten Kapitalismus tritt folgerichtig ein Pharao-System ohne Marktkonkurrenz, in dem der Staat die Produktion lenkt und seine Untertanen alimentiert, die einen mehr und die anderen weniger, natürlich immer zum Vorteil der Finanzaristokratie.
Der Staat verteilt in diesem System an alle Geld, so wie er bisher Hartz-IV verteilt hat – künftig nicht mehr als Bargeld, sondern elektronisch. Im Grunde handelt es sich dabei nur noch um Bezugsscheine. Das alles hat sich schon angebahnt mit der Abschaffung der Goldbindung des Dollars durch Nixon 1971: Seither wird unbegrenzt Geld gedruckt oder elektronisch erzeugt, das heißt, die Definition von Geld als Tauschmittel für Waren, deren Wert via Gold an Arbeitszeit gekoppelt ist, ist entfallen – und damit das Grundprinzip der Marktwirtschaft sowohl in der Definition von Adam Smith wie von Karl Marx.
Nicht mehr das Spiel von Angebot und Nachfrage bestimmt die Preise, sondern der Staat setzt fest, dass ein E-Auto durch Subvention rund 10.000 Euro günstiger ist, während der Verbrenner durch staatlichen Zwang bis hin zu Fahrverboten künstlich verteuert wird. (Ende des Auszugs)