"Mobiler Identifikator" statt Ausweis: Moskau bereitet sich vor

Autorius: RT Šaltinis: https://deutsch.rt.com/russlan... 2020-06-01 11:41:00, skaitė 989, komentavo 0

Eigentlich hat der digitale Ausgangsschein in der Corona-Krise mit dem geplanten "Mobilen Identifikator" nichts zu tun – das Projekt ist seit Langem geplant. Trotzdem entfernte die Regierung die Ankündigung schnell von ihrer Website. Auf dem Bild: eine QR-Kontrolle in der Moskauer Metro am 14. April

Ein Vorhaben russischer Behörden könnte die Leute zur Zeit der Corona-Einschänkungen nervös machen: ein Testverfahren für Digitalausweise. Trotzdem will die Moskauer Regierung das Projekt ab Juli starten. Die Ideen für den Passersatz sind allerdings keineswegs neu.

Russischen Medien zufolge will das Ministerium für Kommunikation herkömmliche Pässe durch eine mobile Anwendung mit QR-Code ersetzen. Die Anwendbarkeit neuer Digitalausweise soll in einem Experiment in Moskau vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 geprüft werden. Die "Mobile ID" wird überall dort erhältlich sein, wo sie anstelle eines Personalausweises benötigt wird.

Das Wirtschaftsportal RBK  stellte fest, dass der entsprechende Erlass des Kommunikationsministeriums eine Stunde nach der Veröffentlichung von der Website für staatliche Dienstleistungen regulation.gov.ru entfernt wurde. Laut dem Ministerium handelte es sich bei dem kurzzeitig veröffentlichten Dokument um eine Arbeitsversion.

Die Zeitung Kommersant sieht in der Löschung des Dokuments einen Versuch, die Verbreitung "verschwörungstheoretischer Gerüchte" zu vereiteln. In der nervösen Situation der Quarantäne könnte die Bevölkerung in der digitalen Innovation Zusammenhang mit der Einführung der QR-Codes für Ausgangsberechtigung in Moskau sehen.  

Es ist zwar klar, dass QR-Codes in keiner Weise mit dem "Mobilen Identifikator" in Verbindung gebracht werden können, aber sie in Zusammenhang zu setzen und ihn mit Verschwörungsgerüchten und Volksglauben zu überlagern, kann einem recht logischen "Digitalisierungsprojekt" schaden", schreibt der Kommersant.

Um den "Mobilen Identifikator" zu installieren, ist ein Konto beim Einigen Identifikationssystem erforderlich. Die Aktivierung erfolgt durch das Multifunktionale Zentrum MFC (die russische Variante eines Bürgeramts – Anm. der Red.), dafür ist ein Reisepass erforderlich, und es müssen auch biometrische Daten eingereicht werden. Auf das Konto wird zudem eine elektronische Signatur eingetragen.

Mit anderen Worten: Der "Mobile Identifikator" ist ein Reisepass, ein QR-Code, eine digitale Signatur und biometrische Daten, die in einer Anwendung gesammelt werden. Vom Sicherheitsstandpunkt aus gesehen ist dies beängstigend, sagte Roman Romatschew, Generaldirektor der Agentur für nachrichtendienstliche Technologien R-Tekhno.

Ein Dieb kann in Besitz aller Ihrer Anmeldedaten kommen, wenn er auf Ihr Konto zugreift. Genauso verhält es sich mit dem Auslandsgeheimdienst. Ein weiteres Risiko ist der vorsätzliche Austausch von Informationen", sagte der Experte dem Radiosender BFM.

Wie das Kommunikationsministerium mitteilt, kann die "Mobile ID" anstelle eines Reisepasses überall dort vorgelegt werden, wo es erforderlich ist: bei der Unterzeichnung von Verträgen, bei der Meldung eines Vorfalls bei der Polizei, beim Kauf von Fahrkarten oder bei der Bestätigung des Alters beim Kauf von Alkohol. Laut Kommunikationsminister Maksut Schadajew wird es möglich sein, nur die Daten anzuzeigen, die für einen bestimmten Dienst notwendig sind, wie zum Beispiel Fotos oder das Alter.

Die Regierung des Ex-Premierministers Dmitri Medwedew ließ einen eigenen Passersatz entwickeln. Im Jahr 2019 zeigte der ehemalige stellvertretende Premierminister Maxim Akimow sogar fertige ID-Cards. Die Behörden versprachen, dass sie ab 2022 in Russland auf Papierpässe verzichten werden. Der neue Vorschlag des Kommunikationsministeriums streicht jedoch die bisherigen Errungenschaften, sagt der Leiter der Cybersicherheitsagentur Jewgeni Lifschits.

Der Chef des russischen Kompetenzzentrums für Importersatz im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien Ilja Massuch weist auf die Abhängigkeit von ausländischen Diensten hin. Die USA könnten sich dagegen auf eigene geschützte Elemente in den Telefonen oder SIM-Karten verlassen.

Wir alle sind jetzt Nutzer ausländischer Smartphones und ausländischer Betriebssysteme. Ich bezweifle, dass der FSB und das Innenministerium diese Geräte mit mehr Vertrauen behandeln werden als die "Gosznak"-Fabrik, die Papierpässe druckt", so der Experte im Gespräch mit Radio Rossii.  

An dem Experiment werden neben dem Ministerium für Kommunikation auch das Innenministerium, das Wirtschaftsministerium, der FSB, die Moskauer Stadtregierung, das Telekommunikationsunternehmen Rostelekom, die autonome gemeinnützige Organisation "Digitale Wirtschaft" und freiwillige erwachsene Einwohner Moskaus beteiligt sein.

Die gesamte Verantwortung für mögliche Datenlecks liegt bei den Bürgern. In der Resolution wies das Kommunikationsministerium darauf hin, dass es verboten sei, "ein mobiles Gerät mit einer aktivierten Anwendung zur Nutzung auf eine andere Person zu übertragen". Dies sei ein weiterer merkwürdiger Moment im neuen Projekt, sagt Alexei Rajewski, CEO des Unternehmens Zecurion:

Daten können von zwei Orten durchsickern: von der zentralen Datenbank, in der alles gespeichert ist, und vom Gerät des Benutzers. Viren und bösartige Programme in Smartphones sind keine Seltenheit.

Wie Minister Schadajew erklärte, sollte man "digitale Identifizierung rechtlich besser verankern". Seiner Meinung nach wird dies den Dokumentenfluss vereinfachen und die Bürgeranträge automatisieren. Das nationale Programm "Digitale Wirtschaft" fordert, dass bis 2024 70 Prozent der öffentlichen Dienstleistungen in elektronischer Form erfolgen sollen. Ende 2019 gab es in Russland 151 Millionen aktive Abonnenten beim Mobilfunk, die Zahl der Smartphones wird auf 95 Millionen geschätzt.