Autorius: RT Šaltinis: https://deutsch.rt.com/inland/... 2020-05-30 13:24:00, skaitė 3212, komentavo 0
Bodo Ramelow will die Corona-Notverordnungen außer Kraft setzen.
Der Vorstoß des Freistaats Thüringen zur Lockerung der Corona-Bestimmungen ab dem Ende der kommenden Woche löste eine heftige politische Debatte aus. Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken hatte am Wochenende erklärt, er wolle vom 6. Juni an auf allgemeine, landesweite Corona-Beschränkungen verzichten und stattdessen auf "lokale Ermächtigungen" und Eigenverantwortung setzen.
Angesichts des Erfolgs der "harten Maßnahmen" müssten nun "realistische Konsequenzen" gezogen werden, sagte Ramelow gegenüber der Bild am Sonntag. "Das heißt: Für Thüringen empfehle ich die Aufhebung der Maßnahmen." Sollten sich neue Infektionsherde bilden, solle auf lokaler Ebene reagiert werden. Die Verantwortung dafür solle bei den Gesundheitsämtern liegen.
Am Donnerstagabend begründete Ramelow in der ZDF-Sendung von Markus Lanz seine vielfach kritisierte Entscheidung. Der Regierungschef rief in Erinnerung, dass alle seit dem 12. März ergriffenen Maßnahmen auf der Basis von Notverordnungen laut dem Infektionsschutzgesetz erfolgten, "die im Prinzip alle anderen Rechte derzeit suspendieren".
"Wir greifen in die Freiheitsrechte der Bürger ein, weil wir der festen Überzeugung waren, – und das war eine gemeinsame Sitzung im Bundeskanzleramt – dass es eine Epidemie geben wird", die eine "große Gefahr" darstelle. Ausschlag für den Lockdown habe ein Rechenmodell gegeben, laut dem 60.000 Menschen in Thüringen "in kürzester Zeit schwerst erkrankt sein werden", worauf man medizinisch nicht vorbereitet gewesen wäre. "Das hat mich dann veranlasst zu sagen, 'ja, dann bin ich bereit, den Lockdown komplett mitzumachen'."
Doch die Lage sei jetzt eine andere, so der Linken-Politiker weiter:
Ich habe jetzt, 12 Wochen später, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Anzahl der Infizierten nicht mal die Zahl 3.000 umfasst, bei 2,6 Millionen Einwohnern. Und die Anzahl der derzeit Infizierten […] oszilliert ungefähr bei 250 in ganz Thüringen. Und wir kennen sie, sie sind namentlich erfasst.
Angesichts dieser Größenordnung sei die rund-um-die-Uhr-Arbeit der vom thüringischen Innenministerium geführten Krisenstäbe nicht mehr notwendig. Stattdessen sollten nun die Gesundheitsämter das Ruder übernehmen.
Ramelow betonte, dass er das Coronavirus weiterhin für "kreuzgefährlich" hält, weshalb Hygienemaßnahmen weiterhin sinnvoll seien. Auch das Tragen von Masken im öffentlichen Nahverkehr soll aufrechterhalten werden.
Der Ministerpräsident rief jedoch in Erinnerung, dass bei der Besprechung der Maßnahmen mit seinen Amtskollegen im Bundeskanzleramt drei Kennziffern für die Beurteilung des Verlaufs der Corona-Epidemie maßgeblich waren: Der R-Faktor, der Verdopplungsfaktor sowie das Verhältnis von Genesenen zu Infizierten. "Alle drei Faktoren haben sich deutlich ins Positive seit vier Wochen gedreht."
"Eingriffe in die Privatsphäre geben wir auf"
Ramelow präzisierte anschließend, was konkret mit der Rücknahme von Maßnahmen gemeint ist:
Um es klar zu sagen: Eingriffe in die Privatsphäre geben wir auf. Ich bin nicht mehr bereit, dass die Polizei oder das Ordnungsamt an die Tür einer Wohnung klopft und fragt, 'sind hier zwei oder drei Haushalte zusammen?'.
Am Montag habe es eine Schalte zum Bundeskanzleramt gegeben, bei der gesagt worden sei, dass die Regelungen zur privaten Kontaktbeschränkung sogar noch verschärft werden sollen. "Dazu bin ich nicht mehr bereit. Also, dass der Nachbar die Polizei anruft und sagt, 'in meiner Nachbarwohnung ist jetzt gerade was los', und dass die Polizei dann handeln muss, dazu bin ich nicht mehr bereit."
Im späteren Verlauf der Sendung kam Ramelow auf das "Dilemma" zu sprechen, in das er als Ministerpräsident stecke:
Wir haben den Eltern den Zugang ihrer Kinder in Schule und Kindergarten genommen. Und zwar komplett seit 12 Wochen. […] Was ist mit meiner Fürsorgepflicht den Lehrerinnen und Lehrer gegenüber? Was ist mit meiner Pflicht als Politiker den Eltern gegenüber? Und was ist mit meiner Verantwortung den Kindern gegenüber, den wir verboten haben, auf den Spielplatz zu gehen, den wir verboten haben, in den Kindergarten zu gehen? Und dann kommt die deutsche Fußballliga und sagt 'aber wir machen Fußballspiele'. Da hab ich gesagt, 'ich versteh überhaupt nichts mehr, ich versteh die Proportionen nicht mehr'. Deswegen habe ich mich dagegen auch in der Videoschaltkonferenz gewehrt.
Ramelow wies anhand des aktuellen Urteils eines Gerichts in Thüringen, das die Schließung eines Fitnessstudios für unrechtmäßig erklärte, darauf hin, dass die Notverordnungen zur Schulschließung auch juristisch nicht aufrecht haltbar seien.
Normaler Schulbetrieb erst nach Impfung der Schüler?
Anschließend kritisierte er, dass die Wiederaufnahme eines normalen Schulbetriebs von der Verfügbarkeit von Impfstoffen abhängig gemacht werden soll:
Ich will noch mal klar sagen: Die Beschlüsse für Schulen in ganz Deutschland – und das muss jeder wissen – stehen unter der Oberüberschrift 'Erst wenn ein Impfstoff gefunden wird, sollen die Kinder wieder normal in die Schule gehen'.
"Das stimmt doch nicht?", wandte sich der anwesende Autor Ferdinand von Schirach daraufhin fragend an die Mitdiskutierende Ärztin Prof. Christiane Woopen, die jedoch nickend zustimmte als Ramelow insistierte: "Das ist der Beschluss der Bildungsminister." "Und an diesen Beschluss fühlt sich mein Bildungsminister immer noch gebunden", fuhr der Ministerpräsident fort. Man müsse den Mut aufbringen, die Beschlüsse aufzuheben und zu sagen: "So können wir nicht weitermachen". "Was ist denn mit der Abwägung gegenüber den Kindern?", fragte Ramelow abschließend in die Runde.
Zwar ist in dem "Rahmenkonzept für die Wiederaufnahme von Unterricht in Schulen" der Kultusministerkonferenz keine Rede von Impfstoffen, doch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek bekräftigte vor Wochen:
Solange kein Impfstoff entwickelt ist, werden wir nicht zum gewohnten Schulalltag zurückkehren können.
Bis dahin werde es laut der CDU-Ministerin eine Mischform von Präsenzunterricht und digitalem Unterricht geben. Auch nach Aussage von Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst wird es in absehbarer Zeit keinen Normalbetrieb geben: "Solange wir keinen Impfstoff haben oder durch ausgefeilte Testverfahren die Möglichkeit haben, das Ansteckungsrisiko zu minimieren, müssen wir Abstand halten."
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, rechnet auch im nächsten Schuljahr nicht mit einem Normalbetrieb – "so lange die Abstandsregeln gelten müssen, und die werden ja gelten müssen, bis ein Impfstoff da ist. Das kann sich noch weit ins nächste Schuljahr hineinziehen", erklärte er vor zwei Wochen.
Wie lange der Schulbetrieb eingeschränkt bleibt, "hängt womöglich davon ab, wann ein Impfstoff kommt", meint auch SPD-Chefin Saskia Esken. Laut ihrem Parteikollegen und Mediziner Karl Lauterbach fällt der reguläre Unterricht "für mindestens ein Jahr aus". Das könne jetzt "als epidemiologisch sicher gelten", so Lauterbach.
Optimistische Schätzungen gehen davon aus, dass ein Impfstoff frühestens Anfang kommenden Jahres zur Verfügung steht. Realistischere Einschätzungen gehen von einem deutlich längeren Zeitraum aus – falls überhaupt jemals ein Impfstoff entwickelt werden kann. Denn das ist keineswegs gesichert, wie der Virologe Hendrik Streeck am Freitag gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland erklärte:
Jede Vorhersage für einen Impfstoff ist nicht seriös. Es gibt bislang gegen kein Coronavirus einen Impfstoff. Gegen HIV wurden schon über 500 Impfstoffe konstruiert, wenige auf Effektivität getestet, aber keiner hat funktioniert.
Es sei deshalb ratsam, sich darauf einzustellen, dass das Virus bleiben werde, so Streeck. In der Regel dauern Impfstoffentwicklungen rund zehn Jahre.