Autorius: Lars Poelz Šaltinis: https://www.compact-online.de/... 2020-05-18 20:00:00, skaitė 659, komentavo 0
Die Brandenburger AfD hat entschieden: Andreas Kalbitz bleibt Mitglied der Fraktion. Dafür änderte man auf der heutigen Sondersitzung seine Geschäftsordnung, da eigentlich nur Parteimitglieder auch Fraktionsmitglieder sein durften. Mit 18 zu 21 setzte sich eine absolute Mehrheit dafür ein. Zwei Stimmen stellten sich dagegen, eine Enthaltung. Kalbitz selbst wolle aber vorerst seine Funktion als Fraktionschef einstellen, ehe die rechtliche Situation um seine Parteimitgliedschaft nicht geklärt wurde. Was war geschehen?
Vergangenen Freitag stimmten Jörg Meuthen, Beatrix von Storch, Joachim Kuhs, Joachim Paul, Jochen Haug, Sylvia Limmer und Alexander Wolf für die Annullierung der Parteimitgliedschaft ihres Vorstandsmitgliedes Andreas Kalbitz. Tino Chrupalla, Alice Weidel, Stephan Brandner, Stephan Protschka und Andreas Kalbitz selbst stimmten dagegen. Carsten Hütter enthielt sich.
Die Freude der Spalter
Nach dem skandalösen Entscheid des Vorstands, entbrennt der anhaltende Grabenkampf innerhalb der Oppositionspartei aufs neue. Diejenigen, die sich vor allem als bürgerlich und gemäßigt verstehen, zeigten deutlich ihre Freude am scheinbar geglückten Rauswurf eines der erfolgreichsten Politiker der Partei.
Uwe Junge beispielsweise ließ seiner Euphorie freien Lauf. Auf Twitter triumphierte er: „AfD schmeißt Kalbitz raus! Danke Bundesvorstand! Was lange währt…! Damit können viele bürgerliche Mitglieder, die schon auf gepackten Koffern gesessen haben, noch einmal durchatmen! Ein Anfang ist getan!“ Der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Fraktion (Umfrageergebnisse von 6 Prozent gegenüber 20 Prozent der Brandenburgischen Fraktion unter Kalbitz) zeigt sich in seiner betonten Bürgerlichkeit oft sehr radikal gegenüber anderen Parteimitgliedern, zum Beispiel wenn er selbst den Ehrenvorsitzenden Dr. Alexander Gauland als nicht-bürgerlich betrachtet beziehungsweise es bedauert, „den Radikalen wie Gauland, Höcke und Kalbitz nicht rechtzeitig die Stirn geboten“ zu haben.
In der Wortwahl gemäßigter äußerte sich Beatrix von Storch, die zu den sieben Spaltern des Vorstandes gehört. „Wir wollen die AfD genauso wie sie ist. Wir wollen weder CDU 2.0 noch NPD 2.0 werden, sondern eine starke patriotische Kraft für bürgerliche Wähler bleiben – stark, ungeteilt und verankert in Ost und West. Die Grundlage dafür sind Regeln und Satzung, die für alle gelten.“ Neben der Übernahme von Begriffen des politischen Gegners, ist diese Behauptung selbstredend scheinheilig und widersprüchlich. Wenn man die Partei genauso haben will, wie sie ist, weshalb versucht man dann, ein Vorstandsmitglied rauszuwerfen? Obendrein mit juristisch nicht stichhaltigen Argumenten, denn der wahrscheinlich folgende Einspruch von Kalbitz wird wohl Erfolg haben – was das ganze Manöver der Bürgerlichen ad absurdum führen wird.
Die politische Kurzsichtigkeit der Spalter zeigt sich dann auch noch im Kommentar vom Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin, Frank Hansel, zu den Ereignissen: „Ein denkwürdiger Tag für die AfD. Es wird für das Machtkartell und ihre Medien jetzt deutlich schwerer, die Partei in die Rechts-außen-Ecke zu drängen: Eines ihrer wichtigsten Bausteine für die Diffamierungskampagne zur Verzwergung der AfD fällt für sie jetzt weg.“ Die Lernresistenz dieser Klientel ist immer wieder beeindruckend. Die Elite will keine angeblich mittig-bürgerliche Alternative, sondern gar keine. Wenn es nicht Kalbitz oder Höcke sind, wird man eben Frau Storch als griesgrämige Eva Braun 2.0 zum Feindbild erklären und auch die verbliebenen „Bürgerlichen“ niederwalzen. Die Verzwergung der Partei erfolgt also nicht primär durch die Massenmedien oder den Verfassungsschutz – sondern das bereitwillige Ballspielen eben diesernSpalter.
Chrupallas Machtwort
Doch der andere Teil der Partei jubelte keineswegs. Dazu gehören auch die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla. Erstere äußerte sich zwar nicht, stimmte aber gegen den Ausschluss. Chrupalla hingegen bezog Stellung: „Auch in der innerparteilichen Auseinandersetzung müssen rechtsstaatliche Grundsätze Bestand haben. Wer sie mit Füßen tritt, nur um auf diese Weise innerparteilichen Konkurrenten zu schaden, verbrüdert sich mit dem politischen Gegner. Gut, dass Rechtmäßigkeit geprüft wird.“ Eine gut formulierte, jedoch klare Botschaft: Personalstrategische Manöver, zum Schaden der gesamten Partei, haben keine Toleranz zu erfahren, schon gar nicht, wenn sie rechtlich mehr als fragwürdig daher kommen.
Gegen diese Aussage vom Chef liefen die Spalter sogleich Sturm: „Mehrheitsentscheidungen sind zu respektieren, auch wenn sie einem nicht gefallen, Herr Vorsitzender! So geht Demokratie, es sei denn man folgt Frau Merkel und will solche Entscheidungen „rückgängig“ machen!“, wetterte Uwe Junge auf Twitter. Der aus dem Bundesvorstand geschiedene Georg Pazderski legte nach: „Wer sich als Sprecher der AfD so in der Öffentlichkeit äußert verhält sich parteischädigend!“ Diese Worte von jemandem, der sich in seiner Wortwahl bereits mehrfach diskreditiert hat, sind schon ein starkes Stück.
Der rechtswidrige Putschversuch
Der Pressesprecher der AfD Thüringen, Torben Braga, zeigte sich über die Entscheidung ebenfalls entsetzt. „Unfassbare, nicht nachvollziehbare Entscheidung eines BuVo, der sich nach allem was über die Gründe für die Entscheidung bekannt ist offenbar mehrheitlich von rechtsstaatlichen Grundsätzen verabschiedet hat.“ Die Rechtswidrigkeit der Entscheidung wurde vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Sebastian Münzenmaier, in einer persönlichen Stellungnahme aufgezeigt.
Darin heißt es bezüglich der Begründung, man habe Kalbitz aufgrund seiner angeblich verschwiegenen Mitgliedschaft bei den Republikanern Anfang der 90er-Jahre die Parteimitgliedschaft entzogen:
Und hinsichtlich der angeblichen Mitgliedschaft Kalbitz‘ in der verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend heißt es:
Die Digitalpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion – und somit offenkundig nicht-Juristin – Joana Cotar meint die Entscheidung dennoch gerechtfertigt zu sehen: „Wer bei der Aufnahme in die AfD lügt oder Dinge verschweigt, ist kein Parteimitglied. Der BuVo hatte keine andere Wahl. Die Regeln sind aus gutem Grund wie sie sind. Als Rechtsstaatspartei haben wir uns daran zu halten. Die Schuld trifft hier einzig und allein Andreas Kalbitz.“ Die Aussage ist nicht nur falsch, sie offenbart die intrigante und unversöhnliche Haltung der sogenannten Bürgerlich-Konservativen gegenüber ihren Parteimitstreitern.
Der Chef-Agitator der Spalter, Jörg Meuthen, scheint dabei entweder einfach nur äußerst unklug vorzugehen oder in Überheblichkeit eine Machtdemonstration an den Tag legen zu wollen. Alexander Gauland offenbarte gegenüber dem ZDF nämlich, dass er selbst vor der Sitzung noch vor einem solchen Schritt abgeraten und es eigentlich nicht für möglich gehalten habe – doch Meuthen habe „es dann trotzdem gemacht“.
Höckes Solidarität
Die klarsten Worte für die derzeitige Lage fand der Vorsitzende der Thüringer AfD, Björn Höcke. Man habe es „mit einem politischen Akt zu tun: Jörg Meuthen und Beatrix von Storch wollen eine andere Partei. Ich möchte diesen Sachverhalt in drei kurzen Anmerkungen einordnen: Erstens: Wer die Argumente von Parteigegnern aufgreift und sie gegen Parteifreunde wendet, der begeht Verrat an der Partei. Zweitens: Wer unsere Partei spaltet, zerstört die einzige Opposition, die unser Land noch hat. Drittens: Wer die AfD zu einem Mehrheitsbeschaffer für die CDU machen möchte, hat nicht begriffen, was „Alternative zur Alternativlosigkeit“ bedeutet“, so der ehemalige Lehrer.
Meuthen reagierte darauf: „Ein Landesvorsitzender, der erst vor wenigen Wochen wörtlich ankündigte, ihm missliebige Mitglieder aus der Partei ‚ausschwitzen‘ zu wollen und der freiheitlich-marktwirtschaftlich und bürgerlich-konservativ gesonnenen Mitgliedern wiederholt den Wechsel zu anderen Parteien anrät, sollte vielleicht eher sein eigenes Verhalten hinterfragen, als der Mehrheit des Bundesvorstandes ‚Verrat an der Partei‘ und Spaltung vorzuwerfen, wenn sie einen satzungsgemäßen Beschluss fassen, eine Parteimitgliedschaft wegen des Verschweigens einer Vormitgliedschaft in einer rechtsextremen Organisation zu annullieren.“ Meuthen behält es also mit der selben, schwachen Argumentation.
Wie all das auf Meuthen (der bereits mit seinem Vorschlag, der gesamte Flügel, also rund ein Drittel der Partei, solle sich abspalten, für großen Unmut gesorgt hat), und den Rest der Spalter in naher Zukunft zurückfallen wird – sollte der Beschluss tatsächlich als rechtswidrig zurückgenommen werden müssen – bleibt abzusehen. Mit der Entscheidung der Brandenburger Fraktion, zu ihrem Vorsitzenden Kalbitz zu stehen, ist ein wichtiges Zeichen gesetzt worden. Der gesamtparteiliche Schaden ist jedoch so oder so angerichtet und eine wirkmächtige Gegenreaktion wird früher oder später kommen. Thorsten Weiß, Jugendpolitischer Sprecher der Berliner AfD-Fraktion dazu nur: „Kamikaze Meuthen und der schlechteste Bundesvorstand aller Zeiten. Wir sehen uns auf dem nächsten Bundesparteitag!“