500 Euro für Ballspielen: „Die Polizei ist mit der Aufgabe herumgefahren, Leute zu strafen“

Autorius: Sonja Luksik Šaltinis: https://mosaik-blog.at/strafen... 2020-04-18 16:37:00, skaitė 795, komentavo 0

500 Euro für Ballspielen: „Die Polizei ist mit der Aufgabe herumgefahren, Leute zu strafen“

Weil ihre Kinder beim Ballspielen anderen Kindern kurz nahegekommen sind, soll Margot Kowatsch 500 Euro bezahlen. Für die Alleinerziehende wäre das eine existenzbedrohende Strafe. Im Interview mit Sonja Luksik spricht Kowatsch über zum Strafen verpflichtete Polizist*innen, politisch geschaffene Aggressionen und die fehlende Seriosität von oe24.

Mosaik: 500 Euro Strafandrohung, weil du mit deinen Kindern im Freien Ball gespielt hast: Dein Facebook-Posting über diesen Vorfall hat letzte Woche Schlagzeilen gemacht. Was ist genau passiert?

Margot Kowatsch: Ich war letzten Mittwoch mit meinen zwei Kindern im Maurer Wald, einem Naherholungsgebiet im 23. Bezirk. Wir haben auf einer großen, nicht abgesperrten Wiese mit zwei Fußballtoren gespielt. Außer uns war niemand dort. Ich bin dann kurz zum Auto gegangen, um eine Wasserflasche zu holen. In den zwei Minuten, in denen ich weg war, ist eine Polizeistreife vorbeigefahren. Bei einem Teich in der Nähe von uns waren mehrere Familien. Die Polizei ist dort stehengeblieben und hat sie aufgescheucht.

Etwas später ist das Polizeiauto dann direkt auf uns zugefahren. Eine von den vorhin aufgescheuchten Familien ist neben dem Polizeiauto gelaufen. Die zwei Kinder dieser Familie waren ganz kurz bei meinen Kindern. Mit Blick auf das heranfahrende Polizeiauto habe ich mir gedacht: „Ah, das könnte jetzt ungut werden!“, und habe unsere Sachen zusammengepackt.

In dem Moment ist das Polizeiauto stehengeblieben. Die zwei Polizistinnen sind ausgestiegen und haben mir vorgeworfen, dass ich die anderen Kinder nicht schnell genug von meinen weggescheucht hätte. Und dass sie gesehen hätten, dass meine Kinder davor auch alleine gewesen wären. Dann haben sie gemeint, dass ich jetzt eine Anzeige bekomme.

Wie hast du darauf reagiert?

Ich habe erklärt, dass die Kinder ja auf uns zugelaufen sind, drei Sekunden bei uns waren und dass ich eh schon am Zusammenpacken war. „Und dafür bekomme ich jetzt eine Anzeige?“, habe ich gefragt. „Ja, Sie haben überhaupt nicht reagiert und einen Ball mit!“, hat die Polizistin geantwortet.

Ich war leider so perplex, dass ich nicht gefragt habe, warum ich eine Anzeige bekomme, was ich falsch gemacht haben soll. Die andere Familie wurde auch angezeigt und die Mutter hat zu weinen und schreien angefangen. Die Polizistin hat zurückgeschrien. Die Situation war schrecklich.

Ich habe dann der anderen Polizistin erklärt, dass ich alleinerziehend bin und seit einem Monat nicht arbeiten kann, weil ich selbstständig bin. Auf Nachfrage hat sie mir gesagt, dass die Strafe 500 Euro betragen wird. Mir ist kurz der Atem gestockt. Für mich sind 500 Euro existenzbedrohend.

Waren die Polizistinnen unsicher, ob sie das Richtige tun? Oder hattest du eher den Eindruck, dass sie dich gerne bestrafen?

Die Polizistin hat schon kurz gezögert, ob sie mich wirklich strafen soll. Vor allem, nachdem ich ihr die Situation erklärt habe, war sie etwas unsicher. Ich glaube, die Polizei ist mit der Aufgabe herumgefahren, Leute zu strafen. Am Maurer Berg wohnen eher Reiche, vielleicht haben sie sich auch gedacht: „Die 500 Euro tun den Bewohner*innen dort eh nicht weh.“

Wie ist es dir nach dem Vorfall gegangen?

Ich habe meine Wut und meine Tränen zurückhalten müssen. Vor meinen Kindern habe ich mich wie die schlimmste Verbrecherin gefühlt, obwohl ich ja nichts gemacht habe.

Du hast die Geschichte dann auf Facebook gepostet. Welche Reaktionen gab es?

Ich habe das Bedürfnis gehabt, mich mitzuteilen und den Post deswegen öffentlich sichtbar gemacht. Hunderte Menschen haben die Geschichte kommentiert und geteilt. Ich hätte mir nie gedacht, dass sie so durch die Decke geht.

Die Kommentare habe ich nur überflogen. Zu 75 Prozent waren sie positiv und haben mir zugestimmt, dass die Polizei willkürlich straft und ich nichts verbrochen habe. Einige haben auch gemeint: „500 Euro sind viel zu wenig, es braucht eine 1000-Euro-Strafe!“. Rechtsanwält*innen haben mir unentgeltliche Rechtshilfe angeboten. Innerhalb von zwei Stunden haben sich außerdem extrem viele Journalist*innen bei mir gemeldet.

Wie hast du ausgewählt, mit welchen Medien du über den Vorfall redest? Du hast deinen Post dann ja auch wieder auf „privat“, also nicht öffentlich sichtbar, gestellt.

Nachdem Florian Klenk (Anm.: Chefredakteur der Wochenzeitschrift „Falter“) unter meinem Post markiert wurde, sind die Reaktionen explodiert.

Dann hat mich ein Redakteur von oe24 angerufen und gefragt, ob er den Vorfall veröffentlichen darf. Ich habe ganz explizit gesagt: „Nein, ich will das nicht.“ Er hat versucht mich zu überreden und ich habe wiederholt, dass ich das nicht will und mich am nächsten Tag nochmal bei ihm melden werde. Zehn Minuten später hat oe24 die Geschichte trotzdem veröffentlicht. Die arbeiten so unseriös.

Die Regierung tut so, als wären Dinge wie z.B. Besuche bei Freund*innen oder längere Aufenthalte im Freien verboten, obwohl sie gar nicht verboten sind. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Polizei falsche Strafen ausstellt.

Ich habe schon gewusst, dass man Strafen bekommen kann, wenn man den Sicherheitsabstand nicht einhält. Ich wusste aber nicht, dass man Strafen bekommen kann, wenn man einfach nur draußen ist. Das ist ja auch eine unberechtigte Strafe.

Mich verunsichert es, dass bestimmte Regeln und Verbote kommuniziert werden, die so gar nicht stimmen. Ich glaube, die Polizei ist nicht gut informiert, wen sie strafen darf und wen nicht. Wenn ich mit meinen Kindern rausgehe, mache ich das jetzt immer mit einem schlechten Gefühl und bin recht nervös dabei.

Es ist verwirrend, was man darf und was nicht. Was darf ich draußen machen? In der Wiese sitzen? Mit Kindern Ball spielen? Oder darf man nur gehen? Keiner weiß das so richtig. Deswegen kann auch jeder den anderen fertig machen. Diese Unklarheit schafft nur Ärger, Neid und Aggressivität untereinander.

Was rätst du Personen, die eine Strafe bezüglich der „Betretungs-Verordnung“ erhalten?

Genau nachfragen, warum man diese Strafe bekommt. Man kann die Verbote auch ausdrucken und mitnehmen. Wenn man dann von der Polizei angehalten wird, kann man fragen, gegen welches der genannten Verbote man genau verstoßen hat.

Auch die Höhe der Strafe ist ein großes Thema. Ich würde gerne wissen, was eine 500-Euro-Strafe rechtfertigt.

Wie geht es in deinem Fall jetzt weiter?

Es kann sein, dass die Anzeige fallengelassen wird, weil es jetzt so einen großen medialen Aufruhr gegeben hat.

Sollte ich die Anzeige doch bekommen, steht wahrscheinlich darin, dass ich auf einer Sportstätte gewesen wäre, weil auf der Wiese zwei Fußballtore stehen. Es ist aber kein abgesperrtes Areal. Und es wird vielleicht auch draufstehen, dass ich meine Kinder unbeaufsichtigt gelassen habe. Warum genau ich die Strafe bekomme, weiß ich nicht, vielleicht werde ich es auch nie erfahren.

Falls ich die Anzeige bekomme, werde ich jedenfalls Einspruch erheben. Das ist natürlich mit Mehrkosten verbunden. Aber es haben sich Anwält*innen bei mir gemeldet, die mich unentgeltlich beraten oder vertreten würden. Wenn ich die Anzeige wirklich bekomme, werde ich sie jedenfalls veröffentlichen.

Danke für das Interview und alles Gute.

Margot Kowatsch ist selbstständige Personal-Trainerin (https://fitnessbox-wien.at/) in Wien und Mutter von zwei Kindern.

Interview: Sonja Luksik