Entmenschlichte Sexualität: Über das Elend der Pornografie

Autorius: Wolf Reiser Šaltinis: https://deutsch.rt.com/meinung... 2020-03-22 11:16:00, skaitė 902, komentavo 0

Entmenschlichte Sexualität: Über das Elend der Pornografie

Geburtstagsfeier für eine Porno-Darstellerin im September 2019 in Las Vegas

Die Pornoindustrie hat inzwischen nahezu alles trojanisiert, was man unter Eros, Liebe und Sex versteht. Es geht ihr dabei aber nicht nur um Milliardenprofite, sondern um die systematische Zerstörung von Menschen und deren Beziehungen.

von Wolf Reiser

Warnung: Dieser Artikel enthält zum Teil Beschreibungen sexueller Handlungen sogenannter Hardcore-Pornos, die verstörend wirken können. 

Die Pilzesammlerin

Wir sehen drei schnauzbärtige Männer in Jägeruniform; einer mit Filzhut auf einem Hochsitz, der andere weitgehend grundlos im Unterholz verfangen und der dritte reinigt seine Schrotflinte.

Vögel pfeifen.

In der nahen Lichtung erscheint eine sehr hübsche junge Frau. Sie bückt sich gelegentlich und füllt dabei ihren Korb. Es dürfte sich also um eine Pilzexpertin handeln.

Die drei Jäger und Sammler werfen sich vertrauliche Blicke zu. Sie entledigen sich nach und nach auch ihrer Lederhosen. Die Beute scheint ihnen gewiss.

So was geht natürlich auch mit Feuerwehrmännern, Rohrverlegern etc.

Allemal Schnitt: Nach einem kurzen Erschrecken angesichts des nackten Trios entscheidet sich die Frau fürs erste zum seriellen Saugen an den geschwollenen Gliedern dieser kecken Kameraden. Im weiteren Verlauf des auf 30 Minuten angelegten Spielfilms wird sie von jedem der Jungs überall dort belangt, wo offenbar Lust entsteht. Stöhnen, Lächeln, irgendwie Woodstock oder so.


L.A. Woman 2020 – "Anal Destruction"

Im schmerzverzerrten Gesicht der Profifrau ein erpresstes Lächeln. Die eingeschnürten Siliconbrüste des kunterbunt tätowierten Körpers sind violett verfärbt. Eine Socke, auf der Hilfiger steht, tritt gegen das rotierende und mit Latex überzogene Rundbett. Der erstaunte Konsument sieht drei stattliche Penisse in ihrem Anus zucken. Dazu Grunzen, Stöhnen, Metallica-Sound.

Der von Schminkspuren versudelte Kopf wird sechshändig in ein randvolles Urinal getaucht. Während sich der Star des Ganzen erbricht, spritzen die Komparsen das noch verfügbare Ejakulat über den Frauenleib. Auf dem Display wird der nächste Clip ankündigt – noch härter, noch gnadenloser. Busty Foxx leckt dazu ihre seltsamen Lippen und stiert wie eine hypnotisierte Schlachtkuh ihrem weltweiten Kundenstamm in die feuchten Augen.

Der fruchtbare Schoß

Max Hardcore ist ein hochverdienter US-Pornostar und damit der optimale Zeuge, um der X-Rated-Szene einen sozio-ästhetischen Überbau zuzuordnen.

Ich denke mal, Frauen verstehen ihr Leben heute viel besser und sind sich auch ihres wahren Zwecks bewusster denn je. Dieser Zweck ist es, das Auffangbecken der Liebe zu sein und damit meine ich konkret die Funktion als Fickpuppen.

Mehr als 70 Prozent des kontaminierten Materials entstehen hinter den Fassaden endlos-monotoner Mittelklassevillen im San Fernando Valley westlich von L.A,  einem Stadtteil, der auch als "Synagoge Satans" bezeichnet wird. Der industrielle Schichtbetrieb zwischen Hollywoodschaukeln und Infinity Pools bedient sich aus dem Frischfleischfundus meist farbiger und osteuropäischer Wesen sowie gebrochener Kids aus den weißen Waisenhäusern, Drogenheilanstalten und Obdachlosenheimen. Angetrieben wird die große Sexmaschine von einem Mix aus Hormonspritzen, Crack und Opiaten.

Im Einvernehmen mit ihrer derangierten Klientel erfinden die Producer und Regisseure ständig neue Kitzel und Grenzwerte von Brutalität und Folterfreuden. Die Memoiren etwa von Jenna Jameson oder Linda Lovelace berichten aus dem Innenleben dieser Körper- und Seelenvernichtungsbranche und von Tausenden von Suiziden, Überdosen und sonstigen Kollateralschäden. Außer dem Krieg dürfte es kaum noch eine Branche geben, bei der das einkalkulierte Ableben am Ende der natürlichen Verwertungskette steht.

Sex und das Dumme

Pornohefte und Pornofilme – hochwirksam und dabei ohne jeden Anspruch. Im Gegenteil: wenn sich bedeutende Regisseure oder gar feministische Künstlerinnen um einen anderen Ansatz auf dem animalisch-niederschwelligen Feld bemühen, endet das stets im Debakel. Was zählt, ist die Nahaufnahme des Kopulierens, Hämmerns, Stampfens, Ergießens, Rein und Raus auf dem Fließband des zuckenden Fleischs. Und vor dem Display des heimischen Masturbatoriums sind alle Menschen gleich, Herr und Knecht, Physiker und Schwachkopf. Die Triebabfuhr als demokratische Größe. Wo aber wurzelt die Macht dieser primitiven Bilderfluten?

Hurenbilder gab es schon immer. Die alten Griechen und Römer, Pompeji, die Zeichnungen des Rokoko, Courbet, Schiele, die Pin-ups der Pariser Fotografen, die verwackelten Super-8-Filme, Playboy, Hustler, Beate Uhse usw. Und ja, das hatte mit Eros zu tun, mit Lebenslust, Verführung, Sinnlichkeit. Irgendwann wurde es grenzwertig, und dann hinterließ die Flut jede Menge Abschaum.

Zielobjekt Mann

Als Ergebnis dieser anschwellenden Sozialisation müssen wir konstatieren, dass es ein Leichtes ist, gerade die Männer mit sexuell aufgeladenen Triggern zu steuern. Warum genau deren Neuronalsystem beim bloßen Aufleuchten von Titten, Arsch und roten Lippen außer Kontrolle gerät, könnte man eines Tages den Memoiren der Clintons entnehmen.

Da spielen sicher Erinnerungs- und Belohnungsreflexe mit, die biochemisch-archaische Fortpflanzungsfaktur und auch ästhetische Reize. Die nackte Frau scheint das ganz große Versprechen in sich zu tragen – ein Idealfall für die kapitalistische Warenwelt. Der Sex-Trigger korreliert immerhin auch mit Liebe und Sehnsucht, Berühren, Begehren, Lust, Befriedigung, Erfüllung, Ekstase. Gleichermaßen im Gepäck befinden sich Sünde, Scham, Schuld und das unbewusste Sublimationschaos.

Am Haken des Sex-Sells-Marketings will alles gewollt werden: Schnaps, Fernreisen, Autos, Gemälde, Drogen, Aktien, noch mehr Sex und notfalls sogar eine SPD-Mitgliedschaft. Keine obszöne Geste kann misslungen genug sein, um nicht den klügsten Mann zum Deppen zu machen. Und selbst die toten Masken all der Stormy Daniels lassen all die US-Präsidenten plötzlich nackt dastehen, wie das Dylan in seinem "It’s Alright, Ma" besang.

Spaß durch Freude

Machen wir uns nichts vor: Die Pornoindustrie hat mittlerweile nahezu alles trojanisiert, was man unter Eros, Liebe und Sex versteht. Es geht ihr bei diesem sanktionsbefreiten Durchmarsch aber nicht nur um Milliardenprofite, sondern um die systematische Zerstörung von Menschen und deren Beziehungen. Zig Millionen kaum verdauliche Videos kursieren im Netz und werden jederzeit von jedermann kostenlos und in Sekundenschnelle abgerufen.

Während sich die Grenzen des sexuell Dargestellten täglich in kühnste Höhen erweitern, hat sich das Einstiegsalter für die schwer verdaulichen Bilderfluten bei acht bis neun Jahren eingependelt. Hardcore ereignet sich so offenkundig wie gleichzeitig unsichtbar und führt – obwohl alle ethisch-moralischen Säulen unseres sonst so empfindlichen Werteregimes verletzt und verhöhnt  werden – eine wirtschaftlich höchst erfolgreiche Existenz.

Gegen das sich vor allen Augen ereignende globale 24/7-Gemetzel der X-Rated-Industrie erhebt sich keine Stimme – nicht aus Brüssel oder Berlin, auch keine aus den Kulturministerien, dem Kinderschutz oder all den scheinheiligen Stiftungen für Sozialhygiene. Offenbar soll sich der freie Markt, sprich die Hersteller selbst, um die desaströsen Folgen des epidemischen Pornokonsums kümmern. Oder die Schulen oder noch besser: Dunja Hayali.

Die amerikanische Wissenschaftlerin Gail Dines ist eine der wenigen Autoren, die sich der pseudoliberalen Akzeptanz entgegenstellt. Sie schrieb in ihrem 2010 erschienenen Langessay "Pornland":

Wir wissen derzeit noch nicht genau, was die Konsequenzen des exzessiven Pornokonsums für unsere Kultur, Sexualität, Identitäten und Beziehungen bedeuten. Klar ist nur: Es handelt sich um ein massives soziales Experiment, dessen Labor die reale Welt ist, ich, Sie, wir alle. Auch ohne empirische Beweisführung behaupte ich, dass alle davon Betroffenen systematisch entmenschlicht werden und sie am Ende ihrer gesamten Sexualität beraubt werden.

Langer Hebel, große Leere

Mögen sich die Männer am längeren Hebel wähnen, so zählen auch sie zu den Verlierern im Spiel, etwa beim Vergleich mit den hochgetunten Helden der Leinwand, den solariengelben Muskelpaketen, die sich widerstandslos Zugang zu den schönsten Models verschaffen, sie zu den absurdesten Penetrationen verleiten und anstatt einer polizeilichen Anzeige kurioserweise um ein "Bitte noch mehr" an Erniedrigung angefleht werden. Das alles verwirrt und vergiftet. Und dann sind ja noch die Frauen und Kinder an der Reihe. Kurz gesagt: Porno 2018 hinterlässt einen gigantischen seelischen Scherbenhaufen und unsere hypersexualisierte Moderne geleitet uns in eine nackte Leere.

Gimme Shelter

Die Signale und Botschaften dieser so dummen wie raffinierten Pornografie fügen sich geschmeidig ein in das Mosaik der aktuellen Militarisierung, Brutalisierung und Parzellierung der westlichen Lebenskultur. Ihre hasserfüllten Bilder erzählen von brodelnden und wuchernden Gewaltphantasien. In der zelebrierten Verachtung der Frau drückt sich ein allumfassender Selbsthass aus, eine hemmungslose Lust an Plünderung, Ausbeutung und Sadismus. Der Amok des Darknet bahnt sich seinen Weg in den öffentlichen Raum. Anales Vergewaltigen dreijähriger Kids inklusive authentischem Erwürgen – kein Problem. Nicht billig, aber der Kunde ist König, und jeder soll zu seinem Glück kommen, sagte ja schon Crowley.

Hardcore ist nur eine Facette der Welt, die vor unseren Augen in den Abgrund torkelt, ohne Standpunkt, ohne Autorität, ohne Haltung, ohne Halt, ohne Führung. Die Aufgabe der Pornoindustrie im großen Endspiel ist die Zerstörung des Liebens, des Begehrens, des Umarmens. Ihr Ziel ist die Auslöschung der Pubertät und das Züchten einer dopamin-verseuchten Armee aus toxinierten Zeitbomben. Das Gegengift ist: Liebe machen.

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