Autorius: Armin Siebert Šaltinis: https://de.sputniknews.com/wir... 2020-02-19 11:07:00, skaitė 734, komentavo 0
Matthias Schepp, ehemaliger Moskau-Korrespondent des „Spiegel“ und seit fast vier Jahren Vorsitzender der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau, äußerte zu Beginn der Konferenz im hoffnungslos überfüllten Hauptsaal des Hauses der Deutschen Wirtschaft in Berlin, dass man locker noch 200-300 Unternehmer und Politiker mehr hätte einladen können, so groß sei inzwischen wieder das Interesse am Austausch zwischen den beiden Ländern.
Die Russlandkonferenz findet seit 2013 jährlich in Berlin statt. Nachdem die Veranstaltung in den ersten Jahren nach dem Ausbruch der Ukraine-Krise von der Bundesregierung nahezu ignoriert wurde, sind seit letztem Jahr beide Länder wieder mit ihren Wirtschaftsministern vertreten. Wobei der neue russische Wirtschaftsminister, Maxim Reschetnikow, in diesem Jahr aufgrund der noch laufenden Regierungsbildung in Russland seinen Antrittsbesuch noch einmal verschieben musste. Er wurde jedoch in Berlin von seinem Vorgänger Maxim Oreschkin würdig vertreten, der inzwischen Wirtschaftsberater des russischen Präsidenten ist.
Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, eröffnete die Konferenz leicht gehandicapt mit einer Schiene am Fuß, aber mit einer dynamischen Rede. Altmaier scherzte zu Beginn: „Wenn jedes Jahr mehr Minister kommen, können wir in ein paar Jahren hier russische Kabinettssitzungen durchführen“.
Altmaier lobte: „Russland ist in den letzten Jahren ein modernes Land geworden. Davon konnte ich mich auf bereits vier Reisen in weniger als zwei Jahren überzeugen.“
Der Minister stellte fest: „Sanktionen sind leider nicht weniger, sondern mehr geworden“. Die USA haben im Dezember 2019 exterritoriale Sanktionen gegen die russische Gas-Pipeline „Nord Stream 2“ verhängt. Altmaier versicherte, dass er sowohl mit der amerikanischen als auch mit der russischen Seite sprechen würde, um „die negativen Konsequenzen dieser Sanktionen eingrenzen zu können.“
Altmaier verkündete, dass er mit dem Präsidentenberater Oreschkin beschlossen habe, eine deutsch-russische Arbeitsgruppe zur Energiepolitik einzurichten.
Der Wirtschaftsminister betonte, dass der Erdgasbedarf in Europa und speziell in Deutschland in den nächsten Jahren steigen werde, auch gerade wegen der beschlossenen Energiewende, da der damit verbundene Ausstieg aus Atom und Braunkohle kompensiert werden müsse.
„Das ist der Grund, warum Nord Stream 2 im Interesse unserer beiden Länder liegt“, so Altmaier.
In Bezug auf alternative Energiequellen verwies der Minister darauf, dass Gazprom, der Betreiber von Nord Stream 2, dabei sei, auch Wasserstoff als Rohstoff zu erforschen. „Auch hier sehen wir ein großes Potenzial für eine Zusammenarbeit“, so Altmaier.
„Europa und Russland müssen auch international zusammenhalten in Zeiten, wo der weltweite Handel von Restriktionen bedroht ist. Ich wünsche mir einen neuen Aufbruch für unsere bilateralen Beziehungen“, schloss Altmaier seine Rede.
Maxim Oreschkin, Wirtschaftsberater des Präsidenten der Russischen Föderation, konnte der Eröffnung der Konferenz nicht beiwohnen, weil er einen Termin mit Angela Merkel im Kanzleramt hatte. Danach traf sich der ehemalige russische Wirtschaftsminister mit seinem deutschen Amtskollegen Altmaier zu bilateralen Gesprächen.
In seiner anschließenden Rede auf der Konferenz sagte Oreschkin:
„Wir erleben gerade gute Zeiten in Russland. Wir haben die Talsohle bereits durchschritten. Wir haben sehr erfolgreich die Inflation im Griff – bei uns ist sie zwei Prozent - zum Vergleich in den USA 2,5 Prozent. Und wir investieren sehr viel in die Digitalisierung. Wir gehören zu den Spitzenreitern bei Internetanschlüssen. Da sind wir sogar viel besser als Deutschland. Die Aussichten für die deutsch-russische Zusammenarbeit sind sehr gut und wir freuen uns über jede deutsche Firma auf dem russischen Markt.“
Zu den Russland-Sanktionen der EU und der USA sagte Oreschkin: „Die Sanktionen schaden allen – deutschen und russischen Firmen. Weniger betroffen sind amerikanische Firmen. Sie können sich selbst ausrechnen, wer hier den größeren Schaden trägt.“
Zu der bereits von Altmaier erwähnten neuen Energiearbeitsgruppe ergänzte Oreschkin, dass diese auch dazu dienen solle, gemeinsame deutsch-russische Positionen zu diversen Punkten, so auch zu Sanktionen, zu entwickeln.
Zu seinem Treffen im Kanzleramt, von dem er unmittelbar zur Konferenz kam, sagte Oreschkin nur: „Alles, was im Büro der deutschen Bundeskanzlerin passiert, bleibt auch im Büro der deutschen Bundeskanzlerin.“
Ebenfalls auf der Konferenz sprach Denis Manturow, Minister für Industrie und Handel der Russischen Föderation. Manturow wies darauf hin, dass trotz der Sanktionen die Investitionen deutscher Firmen in Russland in den vergangen Jahren um das Anderthalbfache auf inzwischen etwa 20 Milliarden Euro gestiegen seien. Damit gehöre Deutschland zu den wichtigsten Wirtschaftspartnern Russlands. Der Minister würdigte, dass deutsches Know-How helfe, in Russland Bereiche wie Eisenbahntechnik und Landwirtschaft zu modernisieren. Auch die Automobilwirtschaft sei stark deutsch-russisch geprägt.
Manturow verwies darauf, dass bereits sechs deutsche Firmen sogenannte „Sonderinvestitionsverträge“ der russischen Regierung erhalten haben. Das sei so etwas wie ein Ritterschlag, der hohe Steuererlässe im Gegenzug für hohe Investitionen ermögliche. Manturow versprach nun in Berlin weitere Steuererleichterungen für ausländische Firmen und die Mindestinvestitionsschwelle abzuschaffen, damit auch deutsche Mittelständler in Russland investieren könnten.
„Wir werden alles dafür tun, das Investitionsklima für deutsche Firmen in Russland so angenehm wie möglich zu machen“, sagte der Minister abschließend.
Die Konferenz verläuft in diesem Jahr unter dem Motto „Innovation als Wachstumsmotor!“ und dient vor allem dazu, für Russland als Investitions-, aber inzwischen auch Innovationsstandort zu werben.
Etwa 4500 deutsche Unternehmen sind derzeit in Russland aktiv. Darunter sind Big Player wie Volkswagen, Globus, Claas oder Siemens. Daimler hat gerade erst ein neues großes Werk in Russland eröffnet – Altmaier war dabei.
Russland hat sich im „Doing-Business-Index“ der Weltbank, der abbildet, wie gut man in einem Land Geschäfte machen kann, in acht Jahren von Platz 112 auf Platz 28 verbessert.
Matthias Schepp, der Vorstandsvorsitzende der AHK, verwies in Berlin darauf, dass Werke in Russland inzwischen teilweise moderner seien, als deutsche Fabriken. So könnten beide Seiten voneinander lernen. So seien die Russen wiederum sehr an dem deutschen Modell der dualen Ausbildung - also in Betrieb und Berufsschule – interessiert, erzählte Schepp. Hier gäbe es bereits gemeinsame Programme. Auch bei der Abfallwirtschaft lerne Russland gerade eifrig von Deutschland, so der AHK-Chef.
Im vergangenen Dezember hatte Präsident Putin mehr als 20 deutsche Firmenvertreter zu einem Gespräch nach Sotschi geladen. Dort stieß das von DIHK-Geschäftsführer Martin Wansleben vorgestellte deutsche Modell der dualen Ausbildung auf reges Interesses beim Präsidenten.
Schepp bezeichnete auf der Russlandkonferenz die Wirtschaft als „zuverlässige Brücke zwischen unseren beiden Ländern in politisch angespannten Zeiten.“
Der AHK-Vorsitzende nutzte auch die Gelegenheit, sich für die Abschaffung der Visapflicht zwischen Russland und Deutschland für Personen unter 30 Jahren einzusetzen. „Das wäre ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen.“
Eine aktuelle Umfrage der AHK hat ergeben, dass 87 Prozent der befragten deutschen Firmen in Russland ihre Geschäfte dort als gut oder sehr gut einschätzen. „Die deutschen Unternehmen in Russland verdienen gutes Geld“, schlussfolgerte Schepp.
Anschließend hielt der Energieminister von Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel, eine energische Rede.
„Wenn wir in die Geschichte schauen, hat Europa immer Russland fest an seiner Seite gebraucht und umgekehrt und das nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik“, begann der Minister. Pegel betonte die enge Partnerschaft von Mecklenburg-Vorpommern zum Leningrader Oblast, dem Gebiet um St. Petersburg herum, und überbrachte Grüße von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, die aktuell eine Auszeit nimmt, um ihre Krebserkrankung behandeln zu lassen. „Die Prognosen sind gut“, so Pegel.
Der Energieminister verkündete, dass im kommenden Jahr wieder ein „Russlandtag“, eine der Berliner Russlandkonferenz ähnliche hochkarätige Wirtschaftskonferenz, in Rostock stattfinden werde.
Pegel bestätigte, dass die Planung des beim letzten Russlandtag beschlossenen Baus eines LNG-Terminals in Rostock zur Anlieferung vor allem russischen Flüssiggases in vollem Gange sei.
Die Pipeline Nord Stream 2, die Erdgas aus Russland durch die Ostsee nach Europa bringen soll, bezeichnete der Energieminister als „gesamteuropäisches Projekt“. „Wir brauchen das Gas aus Russland. Ich als Energieexperte kann nur staunen über Kommentare von Politikern, die meinen, dass dieses Projekt gar nicht nötig sei“, so Pegel.
Der Minister verwies darauf, dass die Infrastruktur der Gasleitung auf Jahrzehnte angelegt sei und „im Übrigen in Zukunft auch Wasserstoff transportieren könnte.“ Wasserstoff gilt als Energiequelle der Zukunft, in deren Erforschung sowohl Deutschland als auch Russland investieren.
Zu den von den USA gegen Nord Stream 2 verhängten Sanktionen, die zu einem vorläufigen Stopp der Verlegearbeiten der Gasröhren in der Ostsee führten, äußerte Pegel: „Dass sich Europa nicht einig zeigt gegen die US-Sanktionen, stärkt nicht das Vertrauen in europäische Institutionen.“
Auch das Verhalten der EU-Kommission, die im vergangenen Jahr in Bezug auf Nord Stream 2 eine spezielle Energierichtlinie erließ, die das Projekt erschwert, kritisierte der Minister deutlich:
„Es ist absurd, dass für Russland und Nord Stream 2 andere Regeln gelten sollen, als für andere Energieprojekte und andere Länder. Es ist doch gerade eine europäische Errungenschaft, dass es für so etwas klare Regelwerke gibt, an die sich Nord Stream ganz genau hält“, schloss Pegel seine leidenschaftliche Rede.
Es ist schon Tradition, dass bei der Russlandkonferenz eine Unterzeichnungszeremonie für die Initiative „Lissabon-Wladiwostok“ stattfindet. Zu diesem Arbeitskreis, der sich für einen gemeinsamen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok einsetzt, gehören bereits etwa achtzig große Unternehmen und Verbände vor allem aus Russland und Deutschland, aber auch aus anderen Ländern. Am Dienstag traten auf der Russlandkonferenz sieben weitere deutsche und russische Firmen feierlich der Initiative bei. Dietrich Möller, langjähriger Präsident von Siemens in Russland, der die Zeremonie moderierte, sagte: „Wir können mit einem Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok zu einem dritten Welt-Player neben China und den USA werden. Das geht nur zusammen.“
Im Anschluss an die Konferenz findet ein Abendempfang in der Russischen Botschaft Unter den Linden statt.