Autorius: RT deutsch Šaltinis: https://deutsch.rt.com/meinung... 2016-09-08 05:46:16, skaitė 930, komentavo 0
Die dramatischen Verluste bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern haben auch vor der selbstzufriedenen LINKEN nicht Halt gemacht. Ist der weitere Abstieg noch aufzuhalten? Rainer Rupp hat sich mit dem Niedergang der Linkspartei befasst.
von Rainer Rupp
Die Wahlschlacht in Mecklenburg-Vorpommern ist geschlagen. Alle etablierten Parteien haben stark verloren, am schlimmsten Die LINKE. Nur die AfD hat es aus dem Stand auf fast 21 Prozent geschafft und damit die CDU (19 Prozent) von ihrem Platz als zweitstärkste Partei verdrängt.
Inzwischen haben in allen Parteien die Schuldzuweisungen für den Erfolg der AfD begonnen. Große Veränderungen sind indessen nicht zu erwarten. Schließlich hat man ja alles richtig gemacht. Die Schuld liegt beim Wahlvolk. Das ist einfach zu dumm oder unwissend. Nur schade, dass sich die Parteifunktionäre kein anderes Volk wählen können.
Der offensichtliche Verlust der politischen Bodenhaftung ist bei allen etablierten Parteien zu beobachten. Besonders ausgeprägt ist er jedoch bei der LINKEN, denn dort glauben immer noch viele, sie könnten vom einstigen Image als soziale Protestpartei zehren, weshalb ein guter Teil der Stimmen, die an die AfD gegangen sind, ja eigentlich ihnen zugestanden hätte. Tatsächlich hat sogar Die LINKE Wähler an die rechtslastige AfD verloren – und das in nicht einmal zu knappem Ausmaß.
Nicht weniger als 18.000 LINKE-Wähler von 2011 haben laut Infratest-dimap am letzten Sonntag ihre Stimme der AfD gegeben. Die LINKE, noch Ende der 1990er Jahre mit den Großparteien in MV auf Tuchfühlung, liegt mit 13,2 Prozent mittlerweile hinter AfD, CDU und SPD an vierter Stelle. Gegenüber 2011 hat sie 5,2 Prozentpunkte oder 19.269 Wählerinnen und Wähler verloren, und das, obwohl die Wahlbeteiligung diesmal um knapp zehn Prozentpunkte gestiegen ist. Lediglich sechs Prozent der Erstwähler und 7,5 Prozent der an die Wahlurnen zurückgekehrten Nichtwähler von 2011 haben für die Linkspartei gestimmt. Und aus ihrer eigentlichen Zielgruppe der Arbeiter und Arbeitslosen haben respektive nur 10 und 15 Prozent für die LINKE votiert.
Die Wahl am vergangenen Sonntag mit 13,2 Prozent ist das schlechteste Ergebnis in der neueren Geschichte des Bundeslandes. Damit ist die LINKE im Jahr 2016 noch weit unter das Niveau von 1990 – damals noch unter dem Namen PDS – gefallen, als man immerhin noch 15,7 Prozent geschafft hatte. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die Partei damals noch schärfsten ideologischen Diffamierungen und politischer Ausgrenzung ausgesetzt war, die es heute weitgehend nicht mehr gibt. Innerparteiliche Kritiker erklären diese Entwicklung damit, dass die Führung der LINKEN längst im herrschenden System angekommen ist, wo sie sich in ihrer Kuschel-Ecke gut eingerichtet hat. Ärgerlich ist nur, dass das mittlerweile auch immer mehr Wähler mitbekommen haben.
Im Wahlkampf hatte sich die LINKE auf Plakaten als Partei der sozialen Gerechtigkeit vorgestellt. Über eine gesellschaftliche Alternative zum Krisenkapitalismus wird in der Linkspartei jedoch seit Jahren nicht mehr ernsthaft nachgedacht, höchstens in isolierten Randgrüppchen. Zwar übt die LINKE hier und da noch Kritik, etwa wenn es um die geplanten TTIP-Freihandelsverträge geht. Aber einen derartigen Widerstand gibt es mittlerweile sogar in Teilen der CDU. Auch die desaströsen Auswirkungen der Hartz-IV-Politik der SPD werden höchstens mal am Rande erwähnt.
Über eine Strategie, wie die angeblich "alternativlosen" sozialen Katastrophen der neoliberalen Wirtschaftsordnung gestoppt und geheilt werden können, wie die Verarmung ganzer Völker rückgängig gemacht werden kann, wie im Rahmen einer "De-Globalisierung" die Ursachen der Massenmigrationsbewegungen beseitigt werden könnten, darüber wird in der LINKEN-Führung nicht einmal mehr in Ansätzen diskutiert.
Wenn es aber um die Europäische Union geht, dann kommen viel Politiker der LINKEN regelrecht ins Schwärmen über deren vermeintliches Potenzial für "mehr soziale Gerechtigkeit und Demokratie". Diese zutiefst blauäugige Sichtweise legt die Parteiführung ungeachtet der Tatsache an den Tag, dass diese Europäische Union schon kraft ihres Gründungsdokuments nicht nur ein zutiefst neoliberales Projekt und somit die anti-These von sozialer Gerechtigkeit und Demokratie ist, sondern zugleich auch starke imperialistische Ambitionen entwickelt hat, wie man sie zum Beispiel anhand der EU-Politik gegenüber Syrien oder ihrer Zusammenarbeit mit den Faschisten in der Ukraine erkennt.
Zugleich hat der Euro, die gemeinsame Währung der EU, vor allem in den südlichen Mitgliedsländern einen wirtschaftlichen und sozialen Zerstörungsprozess in Gang gesetzt, wie man ihn nur noch aus Kriegszeiten kennt. Dennoch sträubt sich die angeblich so sozial orientierte LINKE beharrlich dagegen, das Thema Währungspolitik und die gerechtfertigte Kritik am politischen Konstrukt der Europäischen Union überhaupt aufzugreifen.
Stattdessen versucht sich die LINKE in der Flüchtlingspolitik mit Appellen an die christliche Nächstenliebe zu profilieren, die selbst die frischgebackene Heilige Mutter Teresa vor Neid erblassen lassen würden. Mit Parolen wie "Refugees Welcome" und Forderungen nach offenen Grenzen mit unbegrenzter Zuwanderung von Migranten agitiert man zielsicher an den Vorstellungen der Arbeiterschaft vorbei. Diese Politik zeichnet sich auch vor allem durch einen Voluntarismus aus, bei dem offenbar der Wunsch der Vater des zu kurz gedachten Gedankens ist.
Mit einer durch nichts zu entschuldigenden Leichtfertigkeit werden dabei kritische Erkenntnisse ignoriert, die es erlauben, nachzuweisen, wie eine unkontrollierte Migrationspolitik früher oder später zu einer Destabilisierung der Gesellschaft führt. Wer dieses Thema vertiefen möchte, möge selbst die hervorragend dokumentierte Analyse des Soziologie-Professors Maximilian C. Forte von der Concordia-Universität in Montréal mit dem Titel "Immigration and Capital" nachlesen.
Im Grunde genommen sind es diese Fehlentwicklungen in der LINKEN, die Schuld daran tragen, dass der rasante Zuwachs der AfD auch aus dem linken Wählerpotential gefüttert wird. Für die aufgewühlten Bürger erscheint nämlich die AfD als die einzige Partei, von der sie nicht mit besserwisserischen Parolen belehrt werden, sondern von der sie glauben, dass sie ihre Sorgen und Zukunftsängste ernst nimmt.
Hat die LINKE vor diesem Hintergrund eine Chance, ihren Abstieg in die gesellschaftliche Irrelevanz zu stoppen? Wohl kaum, denn dafür müsste zuerst eine Palastrevolution stattfinden. Zu viele Abgeordnete der LINKEN - einschließlich der früheren PDS - haben sich in den letzten 25 Jahren mental nach und nach ins Lager derjenigen abgesetzt, die von den bestehenden Verhältnissen profitieren und diese deshalb erhalten und verteidigen wollen.
Noch am Vorabend der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern hat der Spitzenkandidat der LINKEN, Helmut Holter, seine Bereitschaft zu einer erneuten Regierungskoalition mit der SPD kundgetan. Als Regierungspartei im Wartestand ziemt es sich aber nicht, die Probleme beim Namen zu nennen. Wer unbedingt in die Regierung will, wird aufhören, jene zu kritisieren, mit denen er – irgendwann, aber am besten möglichst bald – regieren will. Und daher haben viele Abgeordnete der LINKEN mit Blick auf die Bundestagswahl längst begonnen, sogar ihre frühere Ablehnung der NATO und der Bundeswehreinsätze im Ausland zu relativieren. Folgerichtig fällt diesen LINKEN Volksvertretern mittlerweile auch im Ukrainekonflikt die Unterscheidung zwischen der aggressiven NATO und der defensiven Position Russlands immer schwerer.
"Der Verlust von Kritikfähigkeit ist Ausdruck von Anpassung und Fügsamkeit. Viele Politiker der LINKEN haben regelrechte Beißhemmungen gegenüber den Herrschenden und deren Politik", urteilte denn auch der Vorsitzende des Marxistischen Forums Sachsen der Partei DIE LINKE, Professor Ekkehard Lieberam, in seiner scharfsinnigen Analyse des jüngsten Wahldesasters seiner Partei in Mecklenburg-Vorpommern.
/RT Deutsch bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.