Autorius: SputnikNews Šaltinis: https://de.sputniknews.com/pan... 2020-02-03 14:59:47, skaitė 595, komentavo 0
Rund 200 kleine Patienten wurden in den USA bislang mit Zolgensma behandelt. Auf das Losverfahren kam Novartis nach eigenen Angaben mit einem Ethikrat, weil es die Therapie weltweit so schnell wie möglich zur Verfügung stellen wollte, sagt eine Novartis-Sprecherin.
Nur fragen Betroffene: Warum stellt Novartis nicht statt 100 Behandlungen für knapp zwei Millionen Euro pro Dosis 1000 Behandlungen zu einem niedrigen Preis bereit? Die Herstellungskapazitäten seien begrenzt, sagt die Sprecherin. Mehr als 100 Dosen könne das einzige Werk in Illinois in den USA in diesem Jahr nicht zusätzlich zu den erwarteten Bestellungen liefern.
Für den Preis pro Dosis waren die Kosten für das andere Medikament für SMA-Kinder ausschlaggebend, sagt Dave Lennon, Chef des Herstellers AveXis, der zu Novartis gehört. Zolgensma, das nur einmal verabreicht wird, sei über zehn Jahre gerechnet halb so teuer wie Spinraza, das alle vier Monate gespritzt werden müsse.
Novartis spricht von einem Versuch, die Therapie so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen. Das Chicagoer Unternehmen AveXis hatte das Zolgensma entwickelt, 2018 kaufte Novartis das Unternehmen für 8,7 Milliarden Dollar. Im Mai 2019 wurde das Gen-Therapeutikum in den USA zugelassen. Die Zulassung flankierten Berichte über höchste Profite sowie Datenmanipulationen durch den Konzern. Ein Medikament mit „Geschmäckle“. In Europa laufen noch Prüfungen durch die Europäische Arzneimittelagentur.
Experten und Wissenschaftler nennen den neuerlichen Vorstoß des Konzerns eine bedenkliche „Überlebenslotterie". Medizinethiker kritisieren die Aktion etwa als verdeckte Marketingkampagne. Es gehe darum, schnell eine Marktpräsenz zu erlangen und bei den Betroffenen Begehrlichkeiten zu wecken und so mittelbar Druck auszuüben, Zolgensma zuzulassen und zu finanzieren. Ein „Glücksspiel“ mit kranken Kindern sei es, so der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen im Spiegel.
Um allen Patienten eine faire Chance zu geben, sei nur das Zufallsprinzip in Frage gekommen, so die Novartis-Sprecherin.
„Es ist ein Dilemma“, räumt sie ein. „Wir haben einfach nicht so viele Dosen zur Verfügung, wie wir gerne hätten. Bei aller Kritik an diesem Verfahren mangelt es vorerst an Alternativvorschlägen.“
Der Medizinethiker Norbert W. Paul widerspricht. Ethischer wäre es gewesen, klare Kriterien als Voraussetzung für die Verabreichung des Medikamentes festzulegen, sagt der Professor der Universitätsmedizin Mainz. Zum Beispiel, ob es für die Kinder alternative Therapien gebe, ob eine Klinik in der Nähe sei, die mit Gentherapie umgehen könne, ob eine Nachsorge und im Notfall auch eine Krisenversorgung möglich sei.
Das Losverfahren lehnt er ab. „Novartis unterläuft mit dieser Abgabe aus Mitleid die Zulassung, um einen Fuß im Markt zu haben und so Druck zu machen, dass die Zulassung gar nicht mehr erforderlich zu sein scheint“, sagt er. Es sei wie eine verdeckte Marketingkampagne. Es entstehe der Eindruck, als handele es sich bei dem Medikament um eine Zauberkugel, und als sei die Standardtherapie mit Spinraza schlechter oder eine Billigvariante. „Dem ist ja gar nicht so“, betont Paul. „Aber natürlich greifen verzweifelte Eltern nach jedem Strohhalm. Umso bedenklicher ist eine Verlosung.“
Ablehnung kommt auch vom Bundesgeschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (DGM), Joachim Sproß. „Das ist eine Dilemma-Situation auf Kosten der Eltern“, sagt er.
„Wenn jemand die medizinische Indikation hat, muss er Zugang zu dem Medikament haben“, verlangt er. Gesundheitsministerium, Zulassungsstellen, Ärzte und Eltern müssten endlich an einen Tisch kommen, um den besten Weg nach vorn zu finden. „Natürlich freuen wir uns grundsätzlich, dass es Therapien gibt. Da hätte vor fünf Jahren noch niemand mit gerechnet.“
Am Montag zieht eine von Novartis beauftragte Forschungsorganisation nun erstmals den Namen eines der Kinder, die die Behandlung gratis bekommen sollen. Alle paar Wochen folgt eine weitere Ziehung. Wie viele Bewerbungen eingegangen sind, sagt Novartis nicht. Wenn das Heimatland des Kindes die Behandlung mit dem noch nicht zugelassenen Medikament erlaubt und ein Behandlungszentrum da ist, kann Zolgensma innerhalb von Wochen verabreicht werden.
„Es gibt keine Gründe, dem Härtefallprogramm zu widersprechen“, teilte das Paul-Ehrlich-Institut in Langen mit. Das Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel ist dafür zuständig, solche Ausnahmeregeln zu genehmigen. Damit können Kinder, die bei der Novartis-Verlosung gewinnen, auch in Deutschland mit dem Medikament Zolgensma behandelt werden, obwohl es in Europa noch nicht zugelassen ist. In Deutschland ist nach Angaben des Instituts eins von 10 000 Kindern betroffen.
Das Gen-Therapeutikum Zolgensma schleust über eine Art Virus das funktionsfähige Gen in die Zellen ein. Die Nervenzellen sollen dadurch ihre Aufgaben wieder erfüllen können, zumindest teilweise. Die Kinder werden mobiler: sie können selbständig den Kopf heben, selbstständig sitzen, essen, schlucken und - atmen. Die Lebenserwartung steigt. Die genetische Veränderung, die Zolgensma bewirkt, soll nach Angaben des Herstellers auf Dauer sein.
Doch der Beweis dafür steht noch aus: Langzeitstudien für das Mittel gibt es nicht. Die Zulassung in den USA beruht im Wesentlichen auf zwei Studien mit 36 Kindern, wie die zuständige US-Behörde FDA im vergangenen Jahr mitteilte.
ba/dpa