Autorius: RT deutsch Šaltinis: https://deutsch.rt.com/wirtsch... 2016-06-07 08:15:54, skaitė 1227, komentavo 0
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und den EU-Staaten, TTIP, ist in aller Munde. Unterdessen treibt die EU den Freihandelsvertrag mit Kanada, CETA, unauffällig und effizient voran. Das Abkommen mit Kanada wird mindestens genau so viele Probleme mit sich bringen. Unternehmensklagen und radikal abgesenkte Umweltstandards sind bereits beschlossen.
Vor wenigen Tagen trafen sich in Brüssel Vertreter der europäischen Regierungen mit der EU-Kommission, um über CETA zu beraten. Das Ergebnis lautet, dass die nationalen Parlamente nicht über das Abkommen abstimmen werden. Die Kommission setzt offensichtlich darauf, dass die Öffentlichkeit mit der Diskussion um das TTIP-Abkommen beschäftigt ist.
Damit wird CETA jedoch nicht weniger gefährlich für die Unternehmen und die Verbraucher in den EU-Staaten. Auch im Freihandelsvertrag mit Kanada stehen besondere Klagerechte für ausländische Investoren. Die EU-Kommission hat dem bereits zugestimmt. Diese Klagerechte werden auch US-Unternehmen nutzen, sei es, dass sie kanadische Tochterunternehmen haben, oder dass sie direkt von diesbezüglichen Entscheidungen betroffen sind.
Ein gutes Beispiel für diese Verfahren bietet die Energiepolitik. Im Jahr 2009 hatte die Europäische Union eine Richtlinie für die Qualität von Kraftstoffen erlassen. Sie sollte verhindern, dass besonders schmutzige Ölsorten in Europa gekauft und verarbeitet werden. Allerdings verzögerte sich die Umsetzung immer wieder. Bis die EU-Kommission im Oktober 2014 beschloss, die Richtlinie einfach auszusetzen. Wie sich herausstellte, arbeiteten mehrere Raffinerien daran, aus Kanada schweres Erdöl aus so genannten Teersanden zu verarbeiten.
In Brüssel sprachen Beobachter damals von „erheblichen Lobbyaktivitäten“. Das Ziel der kanadischen Regierung war es offensichtlich, die besonders schmutzigen Ölsorten im Rahmen eines Freihandelsvertrages nach Europa zu exportieren. „Die Transcanada-Pipeline könnte dann mehr als eine Millionen Barrel am Tag von Alberta an die kanadische Ostküste transportieren“, argumentierte etwa der kanadische Umweltaktivist Anthony Swift, „und Europa ist ein wichtiges Endziel dafür“.
Die Industrie hat bereits begonnen, die Raffinerien in Europa umzurüsten. Im Juni 2014 erhielt eine Ölverarbeitungsanlage in Bilbao bereits die erste Lieferung aus Kanada. Um die Verhandlungen um den Freihandelsvertrag nicht zu gefährden senkte die EU-Kommission kurzerhand die Richtwerte für Emissionen. Ohne dass bisher eine verbindliche rechtliche Regelung in Kraft ist, arbeiten Reedereien und Raffinerien bereits.
Sobald CETA in Kraft tritt, verliert die Politik die Möglichkeit, gegen den Import von Teersanden vorzugehen. Aus der Perspektive der Industrie würde dann eine „mittelbare Diskriminierung“ vorliegen, schlussfolgert etwa eine Untersuchung des deutschen Bundestages. Sprich: Die beteiligten Unternehmen können vor den berüchtigten Schiedsgerichten gegen die Entscheidung der Politik klagen.
Und wenn es nach der EU-Kommission geht, wird dies ganz schnell passieren: Schon Mitte Juni soll das Handelsabkommen dem Rat der Regierungen und dem EU-Parlament vorliegen. Die sollen sofort „grünes Licht geben“ und einer sofortigen Anwendung zustimmen. CETA gilt also bereits, bevor der Bundestag oder andere Parlamente abgestimmt haben.
Fraglich ist, ob dies jemals geschehen wird. Die EU-Kommission will eine nationale Abstimmung grundsätzlich vermeiden und dringt auf die „vorläufige Anwendbarkeit“. Sollten die Regierungen und das Europaparlament im Juni pauschal zustimmen, wird ein späteres Veto des Parlaments den Vertrag nicht nachträglich stoppen. Nicht einmal Nachbesserungen wären möglich.
Wenn der Bundestag noch Einfluss auf die EU-Handelspolitik ausüben will, müsste er sich gegen die "vorläufige Anwendbarkeit" aussprechen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte bei jeder Gelegenheit betont, dass es CETA „nicht ohne Abstimmung im Bundestag“ geben wird. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr.