Autorius: RT deutsch Šaltinis: https://deutsch.rt.com/gesells... 2016-07-18 07:49:36, skaitė 1074, komentavo 0
Die Doping-Affäre und der Olympia-Ausschluss des russischen Leichtathletik-Teams sind kompliziert: Es gibt zu viele Akteure, zu viele Interessen. Tatsächlich wurden zahlreiche Doping-Fälle aufgedeckt. Für westliche "Enthüller" eines vermeintlich "staatlich geduldeten, korrupten Systems" eine Steilvorlage. Allerdings können sich auch diejenigen bestätigt fühlen, die hinter den Skandalen eine konzertierte politische Kampagne sehen.
von Wladimir Sankin
Der Medien-Wirbel um Dopingfälle im russischen Sport lockt hierzulande all jene aus dem Gebüsch hervor, die darin eine willkommene Gelegenheit erblicken, auf Kosten des ewigen Buhmanns Russland vermeintliche Bekenntnisse zu den hohen moralischen Werten des sauberen Sports abzulegen. Kein Wunder, dass die schärfsten Ankläger der Russen gleichzeitig auch ihre schärfsten Mitkonkurrenten um die begehrten olympischen Medaillenplätze sind. So tauchen regelmäßig die Spitzen des deutschen Leichtathletik-Verbandes und auch zahlreiche deutsche Olympioniken an vorderster Front auf, wenn es darum geht, ihrer nicht immer gut gespielten Empörung über die Dopingvorfälle in russischen Sportverbänden Ausdruck zu verleihen.
In Russland ist kaum jemand wirklich verwundert über die gesamte Affäre. Der systematische Druck auf den russischen Sport durch das bewährte Tag-Team aus westlichen Medien und internationaler Sportbürokratie ist spätestens seit den Spielen in Sotschi nur allzu vertraut.
Den Rufmord-Kampagnenprofis aus deutschen Medien kommen die WADA-Regeln, die auf eine grundsätzliche Schuldvermutung hinauslaufen, in höchstem Maße zupass. Präzise Medien-Schläge, spektakuläre Enthüllungen von Überläufern: ein Polit-Triller in Echtzeit. Die Öffentlichkeit ist aufgewühlt. Welche anderen Optionen als anti-russische würden westlichen Akteuren in einer dermaßen aufgeheizten, konzertierten und von keinerlei Zweifel angekränkelten Stimmung noch übrig bleiben?
Wo der Westen skandalisiert und ideologisiert, reagieren die russischen Behörden pragmatisch und setzen sich wie erwachsene Menschen damit auseinander. Dort, wo tatsächlich Schuld bewiesen ist, bemüht man sich um geeignete Maßnahmen, um das betroffene System zu reparieren. Wo es hingegen keinerlei handfeste Beweise gibt, wie es im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen den in die USA geflohenen Ex-Chef des Moskauer Doping-Kontrolllabors, Grogorij Rodtschenkow, der Fall ist, setzt man sich zur Wehr.
Während der Ausgang der Olympia-Affäre noch ungewiss ist, bereiten sich russische Medien- und Sportexperte mittlerweile auf Angriffe gegen den russischen Fußball vor. Ein Dopingskandal zur rechten Zeit scheint der letzte Strohhalm zu sein, um die Austragung der Fussball-WM-2018 in Russland in letzter Minute doch noch in Frage stellen zu können. Die entsprechenden Stimmen waren in den letzten zwei Jahren schon oft zu hören, insbesondere aus England, dem einstigen Rivalen im Zuge der Abstimmung über die WM-Vergabe. Die Entmachtung des FIFA-Chefs Josef Blatter im Juni letzten Jahres konnte als erster Schritt in dieser Richtung gesehen werden.
In dieses Bild passten auch die zahlreichen unangekündigten Doping-Kontrollen während der jüngst zu Ende gegangenen Fußball-EM in Frankreich. Das Drehbuch dazu war offenbar von den letzten Minuten der dritten Serie des ARD-Films von Hajo Seppelt inspiriert. Bis jetzt stützen sich die WADA-Berichte auf dieses Machtwerk und das lässt nichts Gutes erahnen.
Doch die Vorfälle zogen auch Ernüchterung nach sich. Sie haben eindeutig vor Augen geführt, wie hilflos der russische Sport dem Machtmissbrauch westlich gegängelter Gremien ausgeliefert ist. In der WADA gibt es keinen einzigen russischen Vertreter. Im Exekutivkomitee und anderen Gremien dominieren Kanadier und Amerikaner, dann folgen Europäer und Australier. Alle Labore befinden sich - wen wundert's? - im Westen. Damit werden den betroffenen russischen Sportlern, Funktionären und Verbänden elementare Kontrollmöglichkeiten über die Arbeit der Agentur vorenthalten, geschweige denn haben sie irgendeinen Einfluss darauf, wer, wie und wie oft kontrolliert wird. Das hastige Verbot des im post-sowjetischen Raum verbreiteten, traditionellen Reduktions-Präparats Meldonium im Frühjahr stellt einen weiteren Anhaltspunkt für die Annahme dar, dass die Akteure in den entsprechenden Gremien interessensgeleitet agieren und nichts dem Zufall überlassen wird.
Die Verantwortlichen im russischen Sport suchen unterdessen nach Gründen für tatsächlich nachweisbares Versagen. Gleichzeitig ist man sich jedoch auch darüber im Klaren, dass die bereits in der Zeit des Kalten Krieges kolportierten Gruselgeschichten über Doping im damals sowjetrussischen Sport immer auch ein politisches Propagandainstrument darstellen. Nach den wirkungslosen Wirtschaftssanktionen und dem Scheitern militärischer Provokationen seitens der NATO, die von Russland angemessen, aber mit kühlem Kopf erwidert werden, hat sich der Sport als schwächstes Glied in Anbetracht psychologischen Drucks vonseiten des Westens erwiesen.
Es bleibt dennoch fraglich, ob es den westlichen Akteuren gelingen wird, mit diesen Attacken ihr offensichtliches Ziel zu erreichen, die Führung des Landes in den Augen der russischen Bürger über den Umweg des Sports in Verruf zu bringen. Zu offensichtlich sind einmal mehr die Aggressivität und Entschlossenheit dieser Kampagne. Auch ohne die stets beschworene „russische Propaganda“ durchschauen immer mehr Bürger mit Leichtigkeit, dass sich der gesamte Skandal nahtlos in das Bild eines aggressiven, ideologiegesteuerten Westens einfügt, der vor nichts haltmacht, um Russland zu schaden.
Eine passende Antwort sollte jedoch auch in der Ausarbeitung einer langfristigen Strategie liegen, um den eigenen Einfluss in internationalen Gremien systematisch zu erhöhen.