Autorius: SputnikNews Šaltinis: https://de.sputniknews.com/pol... 2020-01-18 08:11:30, skaitė 767, komentavo 0
Die Bundeswehr ist im Irak präsent. Das irakische Parlament hat entschieden, keine ausländische Truppenpräsenz mehr im Irak. Auch Premierminister Mahdi hat vor wenigen Tagen die USA gebeten, einen Abzug der gesamten Truppen vorzubereiten. Die USA lehnen diese Bitte ab. Wie bewerten sie das?
Moderner Kolonialismus pur – er passt zu Trump. In Syrien lässt man die Truppen bei den Ölfeldern und Irak bleibt als Vasallenland vollgestopft mit Militär und Spionagebasen. Der Mut der Bevölkerung, gegen diese Politik zu agieren, ist bewundernswert. Die Doppelmoral der Berichterstattung über die aktuellen Iranproteste und die Proteste im Irak zeigt erneut die Verlogenheit von Politik und einem Großteil der Medienlandschaft in unserem Land.
- Welche Entscheidung der Bundesregierung erwarten sie?
- Schweigen im Wald und wegducken. Hinter vorgehaltener Hand oder aus der dritten politischen Reihe darf auch ein wenig Kritik geübt werden. Was dabei nicht bedacht wird: die Menschen in den betroffenen Ländern nicht nur im Irak oder Syrien, im Jemen (deutsche Rüstungsexporte töten täglich) oder Libyen vergessen diese verantwortungslose Politik nicht. Politik und Menschen vergessen auch nicht, wer sich zu ihnen solidarisch verhalten hat. Dann geht das große Geschreie wieder los: Russland, China, Iran gewinnen mehr Einfluss – ja warum wohl?
- Die USA wären ja damit völkerrechtswidrig im Irak. Wenn die US-amerikanischen Truppen abziehen sollten, wäre der deutsche Einsatz im Irak noch zu halten?
- Wenn ich spekulieren soll, kann ich mir vorstellen, dass die deutschen Truppen aus Bagdad und Umgebung abgezogen werden, aber im Nordirak bleiben. Das ist aber reine Taktik. Intervention für mehr Einfluss ist die Grundlage deutscher Außenpolitik, scheinheilig mit Schaffung von angeblicher Sicherheit und Menschenrechte bemäntelt.
Fakt bleibt, dass die USA im Irak und das Völkerrecht in den letzten Jahrzehnten immer ein antagonistischer Widerspruch waren, dem das deutsche Engagement in seiner Sinnlosigkeit gefolgt ist, nur um politisch gewichtig und ein internationaler Player zu sein. Auch hier gilt, Friedenspolitik in der Region sieht ganz anders aus und ist – um es ganz deutlich zu sagen – ohne eine scharfe Kritik an der israelischen Kriegs- und Besatzungspolitik auch weder möglich noch glaubwürdig. Vielleicht könnte ja jemand Herrn Maas mal das Kürzel KSZMO (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren Osten als eine alternative Idee zur KSZE - Anm. d. Red.) auf den Zettel schreiben, als Alternative zu militärischem Engagement und in der Tradition einer Friedenspolitik in Europa.
- Vor dem Hintergrund der Eskalation der Sicherheitslage durch die USA und durch den Iran. Wie ist die Nato-Großübung „Defender Europe 2020“ zu bewerten?
- Kann eine ähnliche Situation wie der Abschluss des zivilen Flugzeuges nicht auch an der Grenze der Nato zu Russland passieren? Wer will das einfach und rundherum verneinen, unter anderem nach all den vermeintlich unabsichtlichen Flugzeugabschüssen der letzten Jahre? Die eine Seite glaubt, sie wird angegriffen, möglicherweise durch einen Raketenbeschuss oder ein Raketenabwehrsystem, die andere Seite fühlt sich bedroht und reagiert übernervös und ohne letzte Klarheit. Ziele werden propagiert, die in der Übung symbolisch getroffen werden sollen, aber für real gehalten werden. Eine Fehlentscheidung eröffnet die Tür für weitere – ein durchaus denkbares Szenario. Opfer sind immer Menschen, meistens Zivilisten.
Dieses Manöver verschärft die Gefahr eines Krieges mitten in Europa und sei es aus Versehen und Zufall. Ein Krieg in Europa scheint wieder möglich ist, die Konsequenzen sind verheerend in einem Gebiet, in dem man sich schon in den 80er Jahren zwischen Ost und West einig war, dass die industriell, infrastrukturellen Gegebenheiten einen Krieg ohne wahnsinniger Zerstörungen nicht zulassen. Eigentlich müsste alles getan werden, die Truppen beiderseits zwischen Nato und Russland so weit wie möglich zu reduzieren und auseinander zu halten. Eine truppenfreie Zone wäre sicher hilfreich.
Das Manöver ist genau das Gegenteil von Entspannungspolitik, eine Provokation als Aktion und zu diesem Zeitpunkt – des 75. Jahrestages der Befreiung Deutschlands vom Faschismus durch die Rote Armee. Was sollen die russischen Menschen denken: wieder Aufmarsch an ihrer Westgrenze und dann? Niemand in diesem Land wird je die 27 Millionen Tote und die ungeheuren Zerstörungen vergessen!
Was sollen diese Nato- und besonders deutsche Truppen an der Grenze, an der sie nie wieder stehen sollten? Die Charta von Paris 1990 hat den Friedensweg gezeigt, das Ergebnis war leider der brutale Marsch der Nato nach Osten. Das jetzt deutsche Truppen wieder an der „Ostgrenze“ stehen, ist an geschichtlicher Vergessenheit kaum zu überbieten. Haben wir die eine Million tote Menschen von Leningrad vergessen?
Da wir nicht vergessen haben, lehnen wir „Defender“ ohne Wenn und Aber ab. Es ist eine politische und eine Umweltsauerei.
- Was fordern Sie von der Bundesregierung?
- Wir fordern einen Parlamentsbeschluss, der Nein sagt zu „Defender“ und die Aktionen der Friedensbewegung entlang der Route unterstützt. Ansonsten bleibt es dabei, die Aufrüstungspolitik dieser Bundesregierung muss viel stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein rücken, der Druck, besonders auf die SPD, verstärkt werden. Wir brauchen eine Rückkehr zur Entspannungs- und Abrüstungspolitik. Da liegt noch ein weiter Weg vor uns.
- Wie wird die Friedensbewegung auf die Groß-Übung reagieren? Welche Veranstaltungen sind geplant?
- Was wir jetzt zu den Ostermärschen und in Vorbereitung der „Defender“-Aktionen deutlich machen müssen ist: mobilisieren, mobilisieren, und zwar nicht nur die, die immer dabei sind. Ziel sollte sein, den Stamm der Aktiven deutlich zu verbreitern, unter anderem durch neue Mitstreiter aus der Umweltbewegung. Kleine Orte werden eine große Rolle spielen, Symbolorte können Ausstrahlungskraft erzeugen, Erinnerungen mobilisieren, Neues kann sich finden. Die „Defender“-Proteste sind auch ein Experiment für die Zukunft: was wir uns als Friedensbewegung alles zutrauen.
Durch das Aufzeigen der drastischen sozialen und politischen Folgen müssen wir versuchen, deutlich mehr Menschen zu bewegen, sich selbst aktiv einzumischen und nicht nur in Umfragen Nein zu dem Krieg zu sagen. Noch mehr Gemeinsamkeit in der Aktion der verschiedenen sozialen Bewegungen, der Gewerkschaften und Kirchen wäre wünschenswert. Die bisherigen Proteste gegen die US-Aggression gegen den Iran können dabei quantitativ sicher nicht zufriedenstellen. Mehr auf den Straßen und Plätzen – ohne Jugend geht es nicht, aber wir brauchen mehr aus allen Generationen. Das ist die Herausforderung vor „Defender 2020“.
Redaktioneller Hinweis: Das Interview mit Reiner Braun wurde schriftlich geführt.